El Pris wird in vielen Reiseführern ganz gerne als idyllischer Fischerort, in dem die Zeit stehen geblieben ist, bezeichnet. „Ein unberührtes, einfaches Fischerdorf an der Nordküste von Teneriffa, an dem der Tourismus bislang spurlos vorüber gegangen ist. Es gibt ein Meerwasserschwimmbecken, zwei Fischrestaurants und einen idyllischen Spazierweg hinüber zum schwarzen Sandstrand von Mesa del Mar.“ So oder ähnlich wird der kleine Küstenort, der wie Mesa del Mar zum Gemeindegebiet von Tacoronte gehört, beschrieben. Die so schön beschriebene Idylle fürs Auge ist zwar nicht vorhanden, aber dafür schlagen fast das ganze Jahr über die kräftigen Wellen des Atlantiks laut tosend und mit voller Wucht gegen die dicken Steinmauern an der Küste – und die Luft riecht nach Meer pur.
Es tut mir wirklich leid, aber auch mit viel positiver Einstellung habe ich diese so oft beschriebene Romantik von Dorf und Fischern in diesem Ort nicht entdecken können. Der Tourismus soll hier spurlos und auf leisen Sohlen vorbei geschlichen sein? Wer hat denn dann die vielen scheußlichen Apartmentanlagen an die Felswände geklatscht? Wie geschmacklose Vogelkäfige hängt eine Ferienwohnung nach der anderen an den Felsen. Nach einem normalen Dorf sieht diese Konstruktion wirklich nicht aus, oder? Die einheimischen Fischer leben in ihren Häusern direkt am Wasser und haben sich diese Architektur mit Sicherheit nicht einfallen lassen.
Wir selbst fahren trotzdem immer wieder gerne nach El Pris. Der Blick Richtung Teide ist von dieser Stelle aus gesehen atemberaubend schön und der Küstenstreifen selbst zeigt sich jedesmal märchenhaft und fast mystisch. Wenn man Lust hat, kann man an diesem Küstenabschnitt von Tacoronte direkt am Meer spazieren gehen. Die beiden Orte El Pris und Mesa del Mar liegen ja ganz knapp nebeneinander. Mit dem Auto ist es von einem Städtchen zum anderen ein langer Weg. Logisch, einen geraden Weg gibt es nicht, man muss jedesmal nach oben auf die Hauptstraße und einige Meter weiter wieder eine kurvige Strasse nach unten fahren. Doch wozu hat der Mensch zwei Beine? Wenn man den Weg direkt an der Küste wählt und zu Fuss geht, ist man in einer Viertelstunde im Nachbardorf. Es ist nur ein knapper Kilometer und der Weg ist keine Wanderung sondern ein angenehmer Spazierweg an der Küste.
Wenn ihr wirklich etwas von der Atmosphäre des kleinen Ortes einfangen wollt, müsst ihr ihn sozusagen ersteigen oder erklettern. Gassen im herkömmlichen Sinn sucht man hier vergeblich und wenn man von unten nach oben will, kommt man über hunderte von Stufen nicht herum. Die Gässchen sind eigentlich Treppen, die sich zwischen den eng aneinander gebauten Häusern nach oben kämpfen. Als Alternative könnt ihr auch noch einen steilen, betonierten Weg wählen, er führt ebenfalls nach oben. Das findet ihr zu anstrengend? Lift gibt es natürlich keinen …
Die Straßenschilder von El Pris erkennt man nicht immer auf den ersten Blick. Am Anfang jeder Gasse steht der Name zwar auf den üblichen bunten Schildern oder Kacheln an den Häuserwänden doch zwischendurch muss man sich mit Hilfe der Fischfiguren aus Metall orientieren. Daran erkennt man, dass es sich nicht um einen privaten Zugang zu einem Haus sondern um einen öffentlichen Weg handelt. Doch auch ohne Straßennamen ist ein Spaziergang kein Problem, denn verlaufen kann man sich hier beim besten Willen nicht.
Ich selbst könnte mir nicht vorstellen, hier zu wohnen. Die Aussicht ist zwar perfekt und der Blick auf den Teide mit der markanten Küstenlandschaft im Vordergrund ist mit Sicherheit einmalig auf der Insel. Aber zum Leben gehört mehr und wenn ich nur ganz vorsichtig daran denke, dass ich jede einzelne Wasserflasche und jeden Liter Milch, jedes Kilo Mehl oder Zucker, überhaupt jedes Lebensmittel immer eine ganz schön lange Strecke über unzählige Stufen oder steile Wege bis zum Haus schleppen müsste, dann sieht die Sache nicht mehr so schön aus.
Als bekennende Liebhaberin von Fischen und Meerestieren aller Art hätte ich natürlich einen riesengroßen Vorteil, denn hier kommen die Meeresbewohner im wahrsten Sinne des Wortes fangfrisch auf den Tisch. Die meisten Einwohner von El Pris verdienen sich ihr Geld noch immer mit Fischfang und verkaufen einen Großteil des Fanges gleich hier im Ort. Auch aus diesem Grund gefällt mir dieses kleine Plätzchen auf der Insel so gut.
Die kleinen, bunten Fischerboote sind in El Pris nicht nur als romantische Dekoration in einer Blumeninsel vor einem Markt oder an einer Straßenkreuzung aufgestellt, sie sind über lebenswichtig für die tägliche Arbeit der Menschen. Hoffentlich gibt es die Fischer und den Fischreichtum an der Küste der Kanarischen Inseln noch viele, viele Jahre. Auch wenn die Küstenfischerei selbst absolut nichts mit Romantik, sondern mit knochenharter Arbeit zu tun hat. Wer nach einer Ausfahrt aufs Meer keinen Fisch im Netz hat, verdient keinen einzigen Cent, die Arbeitszeit hat auch nicht viel mit einem acht Stundentag zu tun und vor allem im Winter sind der Wind, das Wetter und der Atlantik eine besondere Herausforderung für die Männer. Der Fischfang im Atlantik ist keine Arbeit für Jammerlappen und trotzdem sagen viele der alten Fischer, dass sie den schönsten Beruf der Welt hätten.
•*¨*•❥ “Das interessanteste Geschöpf der Zoologie ist der Fisch. Er wächst noch, wenn er längst verspeist ist. Wenigstens in den Augen des Anglers.“ Diese Behauptung ist nicht von mir sondern von Ernest Hemingway