Heute ist der Tag der Feige. Nein, ihr habt nichts übersehen, er steht nicht als besonderer Tag im Kalender, er spielt sich nur in meiner Küche ab. Seit einigen Tagen sind die Feigen reif und nachdem sie ja nicht wochenlang am Baum hängen bleiben und darauf warten, bis jemand von den süßen Früchten naschen will, wollen sie geerntet werden. Arbeitsteilung, la división del trabajo, ist angesagt.
Georg erntet und ich veredle die dunklen, violetten, saftigen Früchte. Nichts gegen Äpfel oder Birnen, aber Feigen, frisch und reif vom Baum spielen in einer anderen Riege. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm wird im allgemeinen behauptet. Die Feige muss man pflücken, liegt sie erst einmal auf dem Boden ist nicht mehr viel von der süßen Frucht übrig. Das saftige Fruchtfleisch lassen sich nämlich auch die Eidechsen gerne auf der Zunge zergehen.
Mit dem Apfel, la manzana, bringt der Mensch automatisch Adam und Eva ins Spiel der Weltgeschichte. Dabei sind Äpfel weder Paradiesfrüchte noch die Ursache für die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies. Die schöne Eva hat Adam nämlich keinen Apfel sondern einen Granatapfel, una granada, angeboten!
Die Geschichte vom Apfel als verbotene Frucht steht auch nicht in der Bibel. Der Apfel war im Nahen Osten zu dieser Zeit noch gar nicht bekannt, er ist erst viel später aus Asien eingeführt worden. Die nette Geschichte ergibt sich vielmehr aus einer falschen Übersetzung des lateinischen Wortes malus. Dieses Wort kann sowohl böse, schlimm oder schlecht – aber auch Apfelbaum bedeuten. Die Interpretation steht jedem frei.
Der Name der Früchte lässt zwar eine Verwandtschaft vermuten, doch in der Realität haben die beiden Äpfel gar nichts miteinander zu tun. Bodenständig die eine und exotisch, verführerisch die andere. Trotzdem wird der unschuldige Apfelbaum in der Bibel auch Baum der Erkenntnis, el árbol de la comprensión, genannt.
„Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“ 2. Mose 2, 16-17
Als Baum der Erkenntnis von Gut und Böse wird in der Erzählung über das Paradies wird in der Bibel also ein Baum bezeichnet, der, mit dem Baum des Lebens, in der Mitte des Garten Edens zu finden ist. Gott hat den Menschen allerdings streng verboten, von diesen Früchten zu naschen. Warum wohl? Angst vor der Erkenntnis? Wollte er nicht, dass der Mensch hinter sein Geheimnis kommt? Gibt es überhaupt ein Geheimnis?Vielleicht ist Fallobst aufschlussreicher als wir glauben? Lassen wir diese Frage für heute einfach einmal im Raum stehen. Jeder Mensch beantwortet sie so wieso für sich selbst. Vielleicht bringt uns Fallobst ja die bessere Erkenntnis? Auch wenn der Apfel nicht weit vom Stamm fällt – oder gerade aus diesem Grund.
Eine Tatsache ergibt sich allerdings aus diesen Bibelgeschichten ganz klar. ¡De verdad! Die wahren Paradiesfrüchte müssen Feigen sein! Wer das nicht glaubt, muss nur das dicke Buch aufschlagen, denn in einer Geschichte erzählt Moses, dass Adam und Eva Feigenblätter pflückten. Daraus haben sie sich Schurze geflochten, um damit ihre Nacktheit, ihre Blöße, zu verbergen. Vom Apfel ist nirgends die Rede und ob der Baum der Erkenntnis ein Apfelbaum war, steht auch in den Sternen.
Apfel, Granatapfel oder Feige – ganz egal wie immer es sich auch abgespielt haben soll, eines steht fest – im Paradies müssen Feigen gewachsen sein! Woher soll sonst das Feigenblatt gekommen sein? Vom Himmel gefallen ist es mit Sicherheit nicht! Dieses Vorrecht haben nur Engel oder Sternschnuppen. Auch wenn man dann ganz verschämt zugeben muss, dass es sich dabei nur um Staub aus dem endlosen Weltall handelt.
Das wäre doch ein Denkanstoß für Reinlichkeitsfanatiker. Ein bisschen Staub und Nachlässigkeit kann durchaus zu schönen Ergebnissen führen. Ohne dem Schmutz aus dem Weltraum gäbe es keine Sternschnuppe – und damit auch keine Illusion eines freien Wunsches. Unsere Welt wäre sauber – aber ohne Überraschungen.
Kein Regenbogen, kein „Stern“ der vom Himmel fällt. Wäre das nicht schade?Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Bibel keine Märchensammlung ist. Vielleicht ist sie ja doch nur eine Sammlung von Legenden oder ein Mythos? Wie die griechischen Götter- und Heldensagen? Ein Tatsachenbericht ist sie ja nicht. Das haben bereits die Wissenschaftler bestätigt. Zeitzeugen haben es vor zweitausend Jahren anscheinend nicht für wert befunden, die Ereignisse fest zuhalten. Für die heutige Arbeitswelt ist dieses Buch allerdings sehr wichtig. Das umfassende Werk sichert viele Arbeitsplätze. Was würden unzählige Archäologen, Schriftgelehrte und Theologen als Grund für ihre Forschungen anführen? Wer würde die ganzen wissenschaftlichen Projekte unterstützen?
Oje, begonnen habe ich mit Feigen und am Ende bin ich bei Sternschnuppen gelandet. In der Schule würde meine Geschichte wahrscheinlich mit Themaverfehlung beurteilt werden. Ich glaube, ich sollte mich lieber um die Feigen in meiner Küche kümmern. Die süßen Früchtchen werden jetzt in Stücke geschnitten, mit ein paar Schlückchen Rotwein angeheitert und anschließend kurz aufgekocht. Als Marmelade schmecken sie hervorragend zu frischem Ziegenkäse. Ihr müsst das unbedingt einmal versuchen, ich bin mir sicher, ihr würdet es lieben!
•*¨*•❥ Übrigens – Märchen sind mehr als wahr: nicht, weil sie sagen, dass Drachen existieren; sondern weil sie lehren, dass man Drachen besiegen kann – schrieb Chesterton