Andere Länder, andere Sitten, andere Länder, andere Krippen. In Spanien wird von den Kindern nicht das Christkind oder der Weihnachtsmann mit Wunschzetteln bombardiert, denn sie bekommen ihre Geschenke von den Heiligen Drei Königen, los Reyes Magos, und müssen darauf auch noch bis zum 6. Jänner warten. Aber bis Weihnachten dauert es ja noch ein paar Tage und deshalb erzähle ich euch heute ein bisschen mehr über die kanarischen Weihnachtskrippen. Also aufgepasst!
In Österreich gehört der Adventkranz mit vier Kerzen, ein Adventkalender und – als Höhepunkt – der Christbaum zum Weihnachtsfest. In Spanien werden diese Dinge durch die Krippe ersetzt. Überall auf der Insel werden kunstvolle Landschaften mit vielen, verschiedenen Szenen aufgebaut. Nicht selten, hat bereits die Generation davor mit dem Bau der Krippenlandschaft begonnen, die Jahr für Jahr erweitert und neu aufgebaut wird.
Der Stall von Bethlehem steht natürlich auch hier im Mittelpunkt, doch rund herum wird meistens ein ganzes Dorf aufgebaut. Der Fantasie sind bei der Gestaltung der Landschaften keine Grenzen gesetzt.
Auf Teneriffa sind einige dieser Krippen besonders sehenswert, deshalb werden wir uns im Laufe der Zeit eine nach der anderen ansehen. Das Cabildo und die Caja Canarias lassen in Santa Cruz jedes Jahr eine Weihnachtskrippe von verschiedenen Künstlern gestalten. Beide Krippen sollen über hundert Quadratmeter groß sein. Vielleicht kommen wir bis zum sechsten Jänner ja noch einmal in unsere Inselhauptstadt.
In Puerto de la Cruz könnt ihr euch bis 6. Jänner eine Krippenausstellung ansehen und der Erbauer einer der schönsten Krippenlandschaften der Ausstellung hat uns erzählt, dass er vierundzwanzig Jahre an dieser Krippe gearbeitet hat, bis sie so aussah, wie wir alle sie nun bewundern können. Die weihnachtlichen Krippen auf Teneriffa sind zauberhafte Märchenlandschaften, liebevolle und verspielte Darstellungen der Heiligen Nacht, die man überall auf der Insel in Kirchen, Klöstern, Rathäusern und an vielen öffentlichen Plätzen zu sehen bekommt.
Sie sind eine gelungene Mischung aus Weihnachtsmärchen und einer Landschaft für Modelleisenbahnen – natürlich ohne Lokomotive und Wagons. Züge gibt es auf der Insel nicht und auf Schienen fährt hier nur die Strassenbahn in Santa Cruz. Es stehen nicht nur Ochs und Esel um die Krippe, sondern da gibt spielt sich richtiges Dorfleben ab. Marktstände, ein Schloss auf dem Berg, ein gluckerndes Bächlein mit Goldfischen, irgendwo wird ein Schwein geschlachtet oder ein Baum gefällt, ein Haus gebaut oder Käse hergestellt. Liebevolle, fast kindliche Darstellungen der Zeit des Lebens in Bethlehem vor zweitausend Jahren, so wie es sich die Menschen hier vorstellen.
Diese dreidimensionalen Bilder nennt man Belén. La belén kann man sowohl mit Bethlehem als auch mit Weihnachtskrippe übersetzen – man könnte das Wort aber auch für ein großes Durcheinander verwenden und auf Teneriffa heißt auch das eine oder andere Mädchen so. Aber das nur nebenbei, im Dezember ist damit eindeutig eine Krippe gemeint.
Auf den ersten Blick eine idyllische Welt: im Stall freuen sich Maria und Josef über die Geburt ihres Sohnes, ein Engel verkündet den erstaunten Hirten die Geburt eines neuen Messias und von weit her eilen die Könige herbei, um ihre Geschenke abzuliefern. Aber der Schein kann trügen!
Was hat denn der freche Bengel mit einer Weihnachtskrippe zu tun? Der passt doch überhaupt nicht ins Bild, oder doch? Da hockt sich wirklich jemand ins Gebüsch und düngt ganz öffentlich die heilige Landschaft. Was im ersten Moment ein bisschen respektlos und doch komisch wirkt, gehört zu jeder spanischen Krippe. Und einmal ganz ehrlich, eigentlich ist es doch das Normalste auf der Welt, wenn dort, wo viele Menschen sind, auch einmal jemand ist, der mal muss – und wenn das nun auf dem Feld in der Nähe einer Krippe der Fall ist, wo soll er denn dann hin?
Den Ursprung dieser nur allzu menschlichen Figuren findet man in Katalonien und hat dort eine Jahrhunderte alte Tradition. Bereits im 18. Jahrhundert wurde der so genannte Caganer oder El Cagón in die Krippenandschaften gestellt. Cagar kann man laut Wörterbuch mit versauen, scheißen übersetzen, für el cagón habe ich das Wort Schisser gefunden. Ich nehme an, dass wir Österreicher liebevoll das Scheißerchen sagen würden. Er stand und steht, vornehm gesagt, mit seiner Verrichtung als Symbol für die Fruchtbarkeit des Bodens. Zusätzlich sollen diese Figuren Gesundheit, Gelassenheit, Glück und Zufriedenheit bringen. Mit dieser Erklärung hat auch die spanische Kirche kein Problem und akzeptiert seine Anwesenheit stillschweigend. Auch heute noch verspricht das Aufstellen des Caganers Glück und Freude im neuen Jahr, sein Fehlen soll sogar Unglück bringen.
Traditionell kamen die Figuren, die den Boden der Krippen düngten, aus dem ländlichen Leben. Doch wie vieles im Leben hat sich auch die Darstellung dieser Männchen verändert. Dank seiner Beliebtheit haben sich findige Geschäftsleute sogar einen Kollegen für ihn ausgedacht – den pixaner, ein Männchen das den Boden auf seine eigene Weise düngt. Neben der klassischen Version mit roter Zipfelmütze und Pfeife im Mund finden sich die lustigsten Varianten auf dem Markt. Mittlerweile müssen auch bekannte Persönlichkeiten als Vorbild herhalten. Sogar der Präsident von Amerika, Barack Obama, soll bereits ein Abbild bekommen haben. Aber auch andere Berufe kommen nicht so ohne weiteres davon. Freunde der adeligen Gesellschaft können sich die spanische Königsfamilie oder die Queen nach Hause holen, Sportbegeisterte greifen zu Ronaldinho oder Fernando Alonso, und auch für Katholiken ist das Richtige dabei. Wer schon immer dem Papst bei seiner Heiligen Sitzung beobachten wollte, ist in dieser katalanischen Tradition bestens aufgehoben – so heißt es.
Alle stehen sie da – mit heruntergelassener Hose und blankem Hinterteil, eingefroren in ihren privatesten Momenten, und machen uns auf ihre Anwesenheit klar – all men are created equal. Egal ob König, Terrorist, Arbeiter oder Prominenter – alle müssen einmal aufs stille Örtchen. Die Kinder denken sich wahrscheinlich nichts von alledem dabei, sie lieben ihn, weil es jedes Jahr wieder eine Herausforderung ist, den Caganer zwischen all den anderen Figuren zu finden. Ein Bekannter hat uns erzählt, dass er als Kind den Caganer mit Josef ausgetauscht hat und ihr könnt euch sicher vorstellen, dass seine Eltern darüber nicht sehr erfreut gewesen sind.
Auf Teneriffa haben wir beide Figuren schon in ein paar Krippen entdeckt, obwohl diese Tradition ja eigentlich vom Festland kommt. Falls ihr also jemals vor einer spanischen Krippe stehen solltet – macht euch auf die Suche, irgendwo in der Landschaft sind sie meistens versteckt!
Etwas Besonderes ist auch die Krippe vor dem Rathaus von La Orotava. Die haben wir uns in den vergangenen Jahren immer wieder angesehen. Auf dem Platz vor dem Rathaus verteilen sich über zweihundert lebensgroße Figuren in liebevoll aufgebauten Szenen.
An einem Marktstand versucht der Händler seine Töpferwaren unters Volk zu bringen, bunte Stoffe und Kleider warten auf Käufer und der Imker verkauft seinen Honig frisch aus dem Bienenstock. Zimmerleute arbeiten mit Holz, ein Weinhändler bietet Wein an, es gibt Marktstände mit Teppichen, Schmuck, Obst und Gemüse. Handwerker und Händler, Korbflechter und Hirten ergänzen das lebendige Treiben rund um den Stall von Bethlehem.
Maria und Josef warten neben einer leeren Krippe auf Weihnachten, denn Jesus wird erst am 24. Dezember auf seinen Platz gelegt. Ochs und Esel dürfen natürlich auch nicht fehlen und die Heiligen Drei Könige haben sich auch schon auf die Reise gemacht. Am Abend des 5. Jänner werden die Figuren übrigens durch richtige Menschen ersetzt und wenn die Drei Könige in die Stadt ziehen um ihre Geschenke zu verteilen, werden sie vor dem Rathaus von einer mit Menschen bevölkerten Krippe erwartet. Am nächsten Tag ist der Weihnachtszauber dann vorbei und alle Kinder müssen wieder ein Jahr auf das nächste Wintermärchen warten.
Ich beende meinen Rundgang stilvoll mit den Heiligen Drei Königen, los Reyes Magos, die sich bereits auf den Weg zur Krippe gemacht haben. Ihre Kamele sind beladen und sie haben noch ein langes Stück ihrer Reise vor sich. Am sechsten Jänner werden sie aber auf alle Fälle den Kindern die ersehnten Geschenke bringen – und das ist in der Gegenwart wohl das Wichtigste, oder?
★* *★ 。Übrigens – „Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.“ schrieb Georg Christoph Lichtenberg
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Die Krippenausstellung findet ihr in la Casa Ventoso in Puerto de la Cruz – Calle Iriate.
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