Für mich ist Weihnachten bereits wieder Geschichte, aber auf Teneriffa weihnachtet es noch sehr. In den Geschäften dudelt immer noch die Weihnachtsmusik und der Endspurt für den Einkauf der Geschenke läuft auf Hochtouren, die Geschäfte werden gestürmt und die Zufahrtsstraßen der Einkaufszentren oder die Autobahn nach Santa Cruz ist voll mit Autos, die sich im Schritttempo vorwärts bewegen. Aber auch wenn die Geschenke erst im Jänner von den Heiligen Drei Königen bei den Kindern abgeliefert werden, wird am 25. Dezember auf den Kanaren festlich gefeiert.
Zu Weihnachten wird viel und gut mit der ganzen Familie gegessen. Alle werfen sich in Schale, das beste Geschirr wird aufgedeckt und das Haus festlich geschmückt. Wie sagt man so schön? Die ganze Familie putzt sich heraus und lässt sich gemeinsam am Esstisch nieder. Unterhaltung und viel und gutes Essen sind angesagt. Einen typischen Festtagsbraten, wie die deutsche Weihnachtsgans, gibt es nicht. Doch das war nicht immer so.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war auf den Kanaren, zumindest in den sogenannten besseren Kreisen, der Truthahn en vogue. Auf Teneriffa wurde das Federvieh vor allem in den ländlichen Ortsteilen von Los Realejos, also in La Vera, Icod el Alto und im angrenzenden Teil von San Juan de la Rambla gemästet. Die Zucht und die Mast des Federviehs war reine Frauensache, die von der Mutter an ihre Töchter weitergegeben wurde. Männer ließen sich selten dazu herab Truthühner zu züchten und wenn sie es tatsächlich taten, galten sie als Weicheier, los mujerengos! Im Gegensatz zu den Frauen. Die sogenannten Paveras, hatten einen guten ausgezeichneten Ruf, denn mit dem Verkauf des Geflügels brachten sie damals gutes Geld nach Hause. Doch vor dem Lohn mussten sie hart dafür arbeiten.

So sah die typische Tracht der kanarischen Paveras aus
Der Markt für Puten war vor allem in La Laguna und Santa Cruz vorhanden. Dort lebten die Familien der sogenannten besseren Gesellschaft und dieser Teil der Bevölkerung hatte auch das Geld für solche Spezialitäten in der Haushaltskasse. Deshalb brachen die Frauen schon Ende Juli oder Anfang August auf, um mit ihrem Geflügel, in Gruppen von bis zu zwanzig Tieren, in die großen Städte zu ziehen. Zu Fuß und mit vielen Küken im Schlepptau war das ein beschwerlicher, ungefähr vier Tage langer Marsch. Wenn sie endlich am Ziel angekommen waren, hatte das gut gefütterte Federvieh zwar wertvolle Kilos auf dem Weg verloren, aber die Zeit bis Weihnachten war ja noch lange.
Meistens kamen die Frauen mit ihren Geflügelherden bei Bekannten und Familienangehörigen oder auf den Höfen und Landsitzen in der Umgebung von La Laguna unter. Dort blieben die Frauen dann bis zur Weihnachtszeit. Sie arbeiteten gegen Kost und Logis im Haus und auf dem Feld und das Federvieh durfte auf den Feldern Unkraut und Schädlinge vertilgen. Mensch und Tier waren aus diesem Grund sehr gern gesehene Gäste.

Diese Fotos aus dem Jahr 1925 und wurden in Madrid aufgenommen – man erkennt es an den Kleidern der Paveras. Von Teneriffa habe ich leider keines gefunden.
Entweder waren die Tiere für Weihnachten bestellt oder die Paveras zogen zum Verkauf der Weihnachtsvögel auf den Markt nach Santa Cruz weiter. Dort wurden sie von den Städtern mit großer Begeisterung empfangen. Viele Städter fütterten die Tiere oder brachten Wasser, denn die Truthahnparade war eine willkommene Abwechslung in dieser Zeit. Erst wenn alle Truthühner verkauft waren, kehrten die Frauen zu ihren Familien zurück. Dann feierten auch sie, nach harter und monatelanger Arbeit, Weihnachten. Ob sie selbst wohl auch einen Truthahn gegessen haben? Davon ist in den alten Geschichten leider nichts zu lesen.
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