Tausche wintergrau gegen weißen Blütenzauber

Vor ein paar Wochen konnte es sich noch niemand vorstellen aber jetzt blühen auf Teneriffa die Mandelbäume und sie verwandeln mit ihren weißen und rosafarbenen Blüten die karge Landschaft in eine verzauberte Märchenwelt. Da stand doch gerade noch ein knorriger Baumstamm mit dürren Zweigen und ein paar welken Blättern und man dachte, der ist abgestorben, der ist mausetot. Aber fast über Nacht sind die braunen Knospen aufgebrochen und jetzt zeigen sie ein faszinierendes Farbenspiel von weiß bis zu dunklem rosa.

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Almendras en flor, die Mandelblüte auf Teneriffa ist, soviel ich weiß, die erste in Europa. Während in Österreich bei eisigen Temperaturen fleißig Schnee geschippt wird, können wir im Jänner den Frühling begrüßen, auch wenn es momentan für kanarische Verhältnisse kalt ist. Spätestens in den ersten Februartagen, doch meistens schon Ende Januar, sieht die Gegend rund um Santiago del Teide mit den Hunderten blühenden Mandelbäumen teilweise wie eine verschneite Landschaft aus.

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Viele Urlauber fragen sich, warum die Bäume in den höheren Zonen der Insel früher blühen als einige Höhenmeter weiter unten wo es doch etwas wärmer ist. Das ist ganz einfach, denn fast alle Steinobstarten – und dazu gehört auch die Mandel – brauchen eine gewisse Winterruhe. Sie müssen die alten Blätter loswerden um dann wieder anständig blühen und treiben zu können. Je höher gelegen, desto kleiner wird dieses Problem, denn dort ist es eben kälter und der Wind weht auch ein bisschen kräftiger. So dauert es nicht lange und der Baum steht ziemlich kahl in der Gegend. Dann fehlt nur mehr etwas Wasser von oben und bei den nächsten Sonnentagen kann es losgehen und die Bäume zeigen sich in einer wunderschönen Blütenpracht.

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Der Mandelbaum hat seine Heimat im westlichen Mittelasien, in Afghanistan, Persien, Mesopotamien und Syrien. Von dort ist die Pflanze nach China, Indien, Nordafrika, Sizilien und Italien verteilt worden. In diesen Gebieten hat sich der Mandelbaum schnell heimisch gefühlt und man findet ihn dort sehr häufig auch in verwilderten Form. Heute wird die Mandel in den warmen Gebieten von West- und Mitteleuropa, in Amerika, Südaustralien, Südafrika, Chile, Kalifornien und auf den Kanaren kultiviert.

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Auf den Kanarischen Insel war die Steinfrucht zur Zeit der Guanchen noch völlig unbekannt. Sie bauten vor allem Gerste an und das Mehl der gerösteten Gerstenkörner war damals schon als Gofio die Nahrungsgrundlage der Inselbewohner.1f60a  Das ist auch heute noch für viele Canarios so.

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Als die Spanier im Laufe des 15. Jahrhunderts die Inseln eroberten, unterwarfen und christianisierten sie die Guanchen und verfolgten, versklavten und verkauften diejenigen, die sich nicht anpassten. Von der Kultur der Guanchen ist nur sehr wenig überliefert. Die spanischen Eroberer veränderten das Leben auf Teneriffa in jeder Hinsicht. Sie brachten nicht nur eine andere Kultur nach Teneriffa sondern auch Tomaten, Kartoffeln und Wein, eben alles, was in ihrer Heimat zum alltäglichen Leben gehörte. Weil  in Spanien die ursprünglich aus Westasien stammende Mandel schon lange eingeführt war, machten die Festlandspanier die Pflanze, die Botaniker Prunus amygdalus nennen, auch auf den Kanarischen Inseln heimisch.

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Angepflanzt wurden die Mandelbäume meistens entlang der neu angelegten Wege, los caminos de herradura. So nannte man damals Wege, die breit genug waren, um mit Pferden, Maultieren und Eseln und ihren rechts und links aufgehängten Lastenkörben passieren konnte – und man sparte Acker- und Weideland ein.

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Es dauerte nicht lange, bis die Canarios auf den Geschmack der süßlichen, weichen Kerne kamen und heute sind Mandeln ein fester Bestandteil der kanarischen Küche. Die Canarios lieben, wie fast alle Spanier, Mandeln nicht nur in der Weihnachtszeit, sie werden das ganze Jahr über in den Küchen und Backstuben verwendet. Am bekanntesten auf Teneriffa ist vielleicht Bienmesabe, eine typische Nachspeise oder vielmehr eine sündhaft süße, klebrige Creme aus gerösteten, gemahlenen Mandeln, Eiern, Zitronenschale, etwas Zimt und viel Zucker.

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Fällt euch bei den Fotos der Mandelblüten etwas auf? Es gibt viele verschiedene Farben und Arten. Einmal sind die zarten Blüten schneeweiß und dann wieder romantisch zartrosa. Warum wohl? Es handelt sich dabei um unterschiedliche Sorten von Mandeln, Mandel ist nämlich nicht gleich Mandel.

Eigentlich ist die Farbe der Blüten ja eine Sortenfrage, auf Teneriffa ist es aber eher eine nicht Sortenfrage, denn hier sind die meisten Mandelbäume nicht sortenrein. Sie haben sich munter über die Jahrhunderte gegenseitig bestäubt und so konnten diese Farbspiele entstehen. Sie sind sozusagen verwildert und vermischt. Die Mandelbäume auf Teneriffa sind also wie wir Menschen – bunt gemischt und nicht artenrein – dafür blühen sie, wie es besser ein Künstler auf einem Gemälde nicht malen könnte.

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Die rosaroten Blüten sind zwar wunderschön, doch roh sind die Früchte nicht zum Essen geeignet und ungenießbar. Frisch vom Baum geerntet sind es sozusagen giftige Bittermandeln. Es geht dabei um die Blausäure in den Früchten und auch wenn ungefähr fünfzig rohe  Bittermandeln gefährlich für einen Erwachsenen werden können, muss niemand Angst haben, sich zu vergiften. 1f60a Erstens wird wohl niemand so blöd sein und diese Menge bitterer Mandeln essen, denn Bittermandeln sind nicht nur extrem bitter, sie riechen auch so und zweitens verschwindet die Blausäure beim Erhitzen der Mandeln. Es gibt also keinen Grund zur Panik! Heutzutage wird das Gift der Bittermandeln aber chemisch entfernt und die Mandelkerne werden hauptsächlich für die Kosmetik verwendet. Man stellt daraus unter anderem Massageöl oder Cremen her.

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Die weißen Blüten der Mandelbäume verwandeln sich innerhalb von einigen Monaten in leicht süßliche Mandeln, die wir alle so gerne essen. Wir können sie frisch geknackt direkt vom Baum essen oder sie werden in kandierte Mandeln, Marzipan oder wie man es hier nennt queso de almendras, Turrón, Mandelkuchen und andere Köstlichkeiten verwandelt. Und das Beste an der ganzen Sache ist – diese Süßigkeiten kann man sogar ohne schlechtes Gewissen genießen, denn Mandeln sind obendrein noch sehr gesund!

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Der Mandelbaum ist eine sehr alte Pflanze und der Mandel wurden schon in frühen Zeiten erstaunliche Fähigkeiten zugeschrieben. In der Bibel werden Mandeln als Zutat für das Weizenbrot der Pharaonen erwähnt und die alten Römer bewarfen frisch verheiratete Paare mit Mandeln um für gesunden Nachwuchs zu sorgen.

In Europa haben die alten Griechen den Mandelbaum im 5 oder 6. Jahrhundert vor Christus eingeführt und die Römer verbreiteten ihn später bis zu den Alpen. In die meisten Mittelmeerländern, in denen die Mandel heute angebaut wird, kam sie aber erst im späten Mittelalter trotzdem können wir schon in einem Kräuterbuch des Tabernaemontanus (1520 – 1590) folgendes über die Mandel lesen: “ Es werden diese Mandeln (gemeint sind die bittern) gebraucht zu den Gebrechen der Leber, der Seiten, des Milzes, der Darmen, der Nieren und Blasen, seyn nützlich dem feuchten Magen. Man saget, dass die bitteren Mandeln die Trunkenheit verhüten sollen: Man muß aber nicht zu viel saufen, sonst werden sie wenig helfen: Vielleicht darum, dieweil sie den Harn treiben. Von den bitteren Mandeln sollen die Hanen, Katzen und Füchs sterben.“  1f60a  Zu Risiken und Nebenwirkungen, lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!

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Während in anderen Ländern längst Maschinen zur Ernte, und noch wichtiger bei der späteren Verarbeitung der Mandeln eingesetzt werden, klopfen die Tinerfeños die Mandeln noch immer mit Stangen von den Bäumen und holen die Kerne mühsam mit der Hand aus dem Kerngehäuse. Auf Teneriffa werden die Mandeln händisch und damit sehr Zeit intensiv geerntet, deshalb sind sie entsprechend teuer und werden auch nicht mehr exportiert. Es lohnt sich nicht, denn die Kalifornische Mandel hat der spanischen und damit auch der kanarischen Mandel, schon lange den Rang abgelaufen. Sogar viele Bäckereien der Insel kaufen mittlerweile die geschälten Mandeln aus dem Ausland, ganz einfach, weil sie billiger sind, als die eigenen Kerne.

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Dadurch ergibt sich leider auch noch ein anderes Problem. Seit Jahren verwildern viele Mandelbäume, doch wenn niemand die Früchte erntet, kommt auch niemand mehr, der die Mandelbäume pflegt und beschneidet. Schade, denn so werden die Bäume, die jetzt noch für Blütenträume sorgen, immer weniger. Zum Glück gibt es noch immer einige Canarios,  die die süßen Kerne nach wie vor ernten und im Herbst können wir wieder überall auf den Märkten ganz frische Mandeln kaufen. 1f60a  Wer weiß – vielleicht ändert sich ja die Einstellung der Menschen zur Qualität der Produkte in Zukunft? Vielleicht werden alte Traditionen und unverfälschte Lebensmittel  wieder mehr geschätzt, gekauft – und damit am Leben erhalten?

Aber über die Ernte der Mandeln auf der Insel erzähle ich euch im Oktober mehr, jetzt blühen die Bäume erst einmal! In einigen Wochen werden die ersten, grünen Blätter sprießen, die Mandeln werden wachsen und reifen und gleichzeitig werden sich die jetzt so märchenhaften Bäume in unscheinbare Laubhölzer verwandeln und in der Landschaft gar nicht mehr auffallen.

•*¨*•❥  übrigens – die Schalen der Mandeln werden zum Räuchern von Ziegenkäse benutzt, das Holz ist ein sehr gutes Brennmaterial und die Bäume selbst schützen den Boden gegen Erosion.

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Über ARTlandya - der Blog

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