Wir sind an einer Kreuzung angelangt und können zwischen zwei Möglichkeiten wählen – entweder wir fahren Richtung El Tanque oder wir entscheiden uns für Santiago del Teide. Norden oder Süden? Wir machen es heute einmal ganz anders, wir fahren gar nicht mehr weiter, nicht weil wir uns nicht einigen können, sondern weil wir genau hier bleiben wollen.
In der Nähe des Erjos Passes, el Puerto de Erjos, stellen wir das Auto am Straßenrand ab und machen einen kleinen Spaziergang. Auch wenn es irgendwie absurd klingt, wenn man mitten im Gebirge, in luftiger Höhe von 1117 Metern über dem Meeresspiegel von einem Hafen spricht, hat es doch seine Richtigkeit, den el puerto bedeutet auf spanisch sowohl Hafen als auch Pass. In dieser Gegend, also am Erjospass, liegt sowohl die natürliche Grenze zwischen dem Norden und dem Süden als auch die Wetterscheide der Insel. Wir haben Glück, die Sonne scheint und von der Küste ziehen nur ein paar malerische Nebelschwaden herauf.
In den meisten Reiseführern werden Ausflüge nach Santiago del Teide oder nach Masca empfohlen und angepriesen, aber über diese Märchenlandschaft, die praktisch gleich neben der Strasse liegt, liest man fast nirgends eine Zeile. ¿El paraíso está a la vuelta de la esquina? Es ist wie so oft im Leben, man muss soll von Zeit zu Zeit nicht in die Ferne schweifen – wenn das Gute so nah liegt …
Das ist ein Termitenbau – würde ich in Südafrika sagen, doch hier auf der kleinen Insel im Atlantik ist es das fantasievolle Produkt eines Lavastromes. Gefährlich aussehende Erdeinbrüche und skurrile Steinsäulen bestimmen die Landschaft. Kein Wunder, denn in dieser Gegend von Teneriffa sieht man die Auswirkungen der jüngsten vulkanischen Aktivität noch besonders gut. Vor allem in den Arenas Negras kann man die Folgen davon sehen, eine öde, schwarze Landschaft so gut wie ohne Pflanzen. Es handelt sich dabei um die Ausbrüche des Vulkans Chineyro am 18. 11. 1909 und vor allem die des Vulkanschlots Volcán Negro, der im Jahr 1706 in den Arenas Negras seine Lavaströme Richtung Garachico losgeschickt hat.
Das Gebiet rund um den Erjos und auch das Tenogebirge ist allerdings schön bedeutend älter und im Laufe von Millionen von Jahren ist hier eine richtige Vorratskammer für guten Ackerboden entstanden. Mich faszinieren vor allem die kräftigen Rottöne der Erde und des Gesteins und ich bin mir sicher, dass ein Maler mit seinen Farben diese Stimmung auch nicht besser auf die Leinwand bringen könnte.
Zu unseren Füssen liegt ein dichtes Wegenetz, auf dem man die Gegend in alle Richtungen erkunden könnte. Es besteht zum Teil aus alten Wegen, los caminos, die quer durch die Berge führen und aus neu angelegten Forstwegen. Wir spazieren einen relativ breiten Weg, der eher wie ein trockenes Bachbett aussieht, entlang.
Über unseren Köpfen kreisen ungewöhnlich viele Falken in der Luft. Ihre schrillen Schreie begleiten uns bis zu den Ufern der Teiche. In dieser Gegend muss es auch sehr viele Kaninchen, los conejos, geben, denn erstens sieht man neben und auf dem Weg immer wieder Reste der verschmähten Jagdbeute der Raubvögel und während der Jagdsaison klettern in den Hügeln rundum zahlreiche Jäger mit ihren Hunden durchs Gestrüpp Gelände. In diesen Monaten sind jeden Donnerstag und Sonntag die Canarios mit Hunden, Frettchen, el hurón, und Flinten, las escopetas, auf der Jagd. Por suerte, zum Glück, denn sonst würde die Insel wohl wirklich an einer Übervölkerung der Nager leiden.
Las Charcas de Erjos – del inferno al paraiso con colores de alegría. Die idyllisch eingewachsenen Wasserlacken sind einfach zauberhaft. Sie wirken fast wie kleine, romantische Teiche in Kärnten. Enten tauchen laut schnatternd aus ihrem Versteck am Ufer auf, flattern kurz knapp über dem Wasser dahin und schwimmen dann in aller Ruhe davon.
Die Teiche oder Tümpel von Erjos, las Charcas de Erjos, liegen am Fuß des Monte de Agua auf einer Höhe von neunhundertfünfzig Metern Seehöhe. Den Besitz oder besser gesagt die Verantwortung für dieses Areal teilen sich die beiden Gemeinden Los Silos und El Tanque. Wo allerdings die Grenze auf der Landkarte verläuft weiß ich nicht. Ich glaube jedoch nicht, dass es für uns von Bedeutung ist.
Dentro del Parque Rural de Teno, repartidas entre Los Silos y el vecino municipio de El Tanque, por encima de los 950 metros de altitud, se encuentra en Erjos el Paraje de los Dornajos „Charcas de Erjos“, ejemplo de extracciones de áridos y tierra que se llevaron a cabo entre los años 70 y 80 del siglo XX para su traslado a las plantaciones del sur y norte de la isla.
So natürlich sich die Teiche heute in der Landschaft schmiegen, war der Grund dafür eher wirtschaftlicher Natur. Es war die Zeit, als überall auf der Insel Bananenplantagen angelegt wurden. Mit Bananen wollte man das große Geld verdienen, aber die Sache hatte einen Haken. Auf den meisten Landflächen fehlte der wichtigste Rohstoff – gute Erde. Ohne fruchtbare Felder keine Früchte, ohne gute Ernte kein Geld. Also bediente man sich dort, wo die Natur vorgesorgt hatte.
In den 70er und 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden hier Tausende von Tonnen Erde abgebaut und auf die Felder im Süden und Norden der Insel gebracht. Es war eine ökologische Katastrophe, denn zurück blieb eine steinige Mondlandschaft und eine vollkommen zerstörte Vegetation. Doch oft gibt uns die Natur eine zweite Chance und so war es auch hier. Die Wunden der Bagger verschwanden, da der Boden in diesem Gebiet sehr lehmig ist, begann sich am tiefsten Punkt des Beckens Regenwasser zu sammeln, es entstanden Wasserstellen und flache Tümpel, die zu kleinen Teichen anwuchsen. Dort wo es Wasser gibt, gibt es auch Leben – Pflanzen und Tiere siedelten sich an und im Laufe der Zeit hat die zerstörerische Wirkung des Menschen ein einzigartiges Ökosystem geschaffen. Es entstand ein richtiges Naturparadies und heute finden sogar einige sehr seltene, oder im Rest der Insel bedrohte Arten von Kleintieren und Vögeln Zuflucht.
Die Vegetation hat auf natürliche Weise die Voraussetzung für den Lebensraum vieler Vogelarten geschaffen. Die verschiedenen Schilfarten, wilde Brombeeren, las zarzas, Kanarische Weiden, Weißdorn, Tabakpflanzen und Binsen sind heute die Heimat für viele Wasservögel wie Enten, Moorhühner, Schnepfchen und Graureiher, las aves acuática como los patos, fallaris, chocas y las garzas. Ob der Graureiher, der uns vor zwei Jahren den Teich ausgefischt hat wohl auch von hier gekommen ist?
Weil die Teiche zu hundert Prozent auf den Regen angewiesen sind, ändert sich natürlich auch ihre Größe von Jahr zu Jahr und nach einem trockenen Winter kann es schon vorkommen, dass sie Wasseroberfläche ziemlich schrumpft und die kleineren Tümpel ganz verschwinden. Die Tiere und die Pflanzen haben sich darauf eingerichtet und nachdem sich die Natur auch nach dem großen Feuer vom Sommer 2007 wieder erholt hat, dürfte es wohl auch in Zukunft ein verträumtes Fleckchen Paradies bleiben.