In den Monaten Mai und Juni könnt ihr auf Teneriffa die Blüte einer wunderschönen Pflanze erleben. Der rote Natternkopf, la tajinaste rojo, reckt sich stolz in die Höhe und seine tausenden, winzig kleinen Blüten leuchten in intensivem Rot.
Im ersten Augenblick erinnern mich die Blumen ein bisschen an Lupinen, aber diese Pflanzen haben natürlich nicht viel damit zu tun. Diese Pflanzenart wächst nur auf Madeira, La Palma und Teneriffa und was auf La Palma rosa blüht, steht auf Madeira in der blauen Ausgabe in der Landschaft. Die Tajinaste mit den roten Blüten wächst nur hier oben in den Cañadas und blüht nur einmal im Jahr. Es hängt ein bisschen vom Wetter ab, aber grob gesagt kann man die faszinierenden Riesenkerzen von Mai bis Mitte Juni in ihrer vollen Pracht bewundern. Ihr solltet es euch nicht entgehen lassen!
Im ersten Jahr ihres zwei- bis dreijährigen Lebens bildet die Tajinaste in schmalen Felsspalten und auf steinigem Untergrund eine kleine Rosette aus langen, schmalen, graugrünen Blättern. Zuerst wachsen nur die unscheinbaren Blattrosen in der kargen Landschaft. Dann aber – im zweiten oder dritten Jahr – erhebt sich aus ihrer Mitte die Blüten bis zu einer Höhe von drei zwei Metern. Dass die skurrile Pflanze botanisch gesehen eigentlich ein Busch ist, kommt einem beim Anblick dieser gigantischen Blütenkerze nicht in den Sinn,oder?
Wenn die Pflanze nach einigen Wochen verblüht ist, verschwindet die extravagante Schönheit so zusagen sang und klanglos aus der Landschaft. Wenn die Samen im Herbst ausgesät sind, stirbt die Pflanze ab und die unscheinbaren, grauen Büschel der vertrockneten Blätter, oder besser gesagt die weißen Gerippe fallen in dieser faszinierenden Vulkanlandschaft mit Sicherheit niemanden mehr auf. Die rote Farbenpracht ist verschwunden und es stehen nur noch die abgestorbenen, weißen und vertrockneten Blütenstände in der Landschaft herum. Skelette der Natur.
Jetzt ist die Zeit, in der die meisten Tajinasten blühen und nicht nur Touristen sondern auch viele Tinerfeños fahren in den Nationalpark, um die Blüten zu bewundern. Das war aber nicht immer so, denn vor dreißig, vierzig Jahren kam die Tajinaste rojo viel seltener vor als heute. Wie es dazu gekommen ist? Ganz einfach, in der Vergangenheit war es vollkommen normal, die Ziegenherden im Sommer in den Cañadas weiden zu lassen. Für die Ziegen standen die jungen Pflänzchen ganz oben auf der Speisekarte, die rauen, aber relativ saftigen Rosetten der Tajinasten zählten wahrscheinlich zu ihren Leckerbissen und wurden gerne gefressen. Das war zwar gut für die Ziegen, aber der empfindlichen Pflanzenwelt hat es nicht besonders gut getan.
Als dieses Gebiet 1954 zum Nationalpark erklärt wurde, änderte sich daran nicht viel. Erst in den 90er Jahren war es mit der köstlichen Sommerweide für die Ziegen aus dem Tal endgültig vorbei, ab da durften nur mehr die Bienen an den Blüten naschen. Und obwohl seitdem die schützende Hand des Nationalparks seit Jahrzehnten für mehr Schutz seltener Pflanzen sorgt, müssen sich die Samenkörner der Tajinasten trotzdem jedes Jahr sehr anstrengen um im steinigen Untergrunds ihre Wurzeln schlagen zu können.
Die endemische Pflanze ist eine sehr widerstandsfähige Pflanze, anders könnte sie nicht überleben. Sie muss mit den Minusgraden im Winter und den oft hohen Temperaturen im Sommer klar kommen, mit Wasserknappheit und gnadenlosen Sonnenstrahlen zurecht kommen – und sie kann es, denn Jahr für Jahr verschönern unzählige Blüten mit ihren kräftigen Lila, Rosa- und Purpurtönen die Vulkanwüste mit Farbtupfern der ganz besonderen Art.
Kerzengerade oder auch nicht, wie stramm stehende Soldaten, erheben sie sich aus der steinernen Wüste. Tausende rote Blüten in dieser Konzentration locken Scharen von Bienen an. Es schwirrt und brummt rund um den roten Kegel wie vor einem Bienenstock. Mitten in der Steinlandschaft rund um den Vulkan entsteht für kurze Zeit eine riesige Bienenweide und auf Bauernmärkten oder in einigen Geschäften kann man den Honig der Tajinasten, el miel de Tajinaste dann auch kaufen. Der relativ cremige Tajinaste-Honig ist eine der Spezialitäten der Insel und dafür sorgen einige Imker, die ihre Bienenvölker für ein paar Wochen in diese Region umsiedeln dürfen. Bienen sind ja keine Ziegen, die kleine Pflänzchen vernaschen – im Gegenteil, sie sorgen auch dafür, dass die geschützten Pflanzen bestäubt werden und sich vermehren können. Es ist doch eine tolle Sache, mit einem Löffel Honig können wir nicht nur eine Köstlichkeit genießen sondern haben auch einen kleinen Teil für den Bestand der Natur getan. Also nicht ärgern, wenn ein Gläschen Honig einmal ein wenig mehr kostet.
Jetzt hätte ich über dem Honig fast auf die Botanik vergessen. Also, der Natternkopf gehört zu den Rauhblattgewächsen und es gibt davon ungefähr zwanzig Arten, die hauptsächlich im Mittelmeergebiet verbreitet sind. Benannt ist die endemische Pflanze von Teneriffa nach Hermann Wildpret und so wird der Teidenatternkopf auch Wildprets Natternkopf oder botanisch echium wildpretii genannt. Die Canarios nennen ihre Tajinaste auch den Stolz Teneriffas, el orgullo de Tenerife und er ist eines der Wahrzeichen Teneriffas.
Als der junge Schweizer nach Teneriffa kam, gab es auf der Insel nur eine einzige Palmenart, die Kanarische Palme, Phoenix canariensis und die Vielfalt der Pflanzenwelt war ziemlich überschaubar. Während seines Lebens wurden über fünftausend Pflanzenarten auf die Kanarischen Inseln gebracht und die Pflanzenwelt von Teneriffa, la flora de tenerife, hat sich dadurch stark verändert.
Hermann Wildpret hat sein Leben seit dem Jahr 1856 als Gärtner, el jardinero, und Samenhändler auf Teneriffa verbracht. 1859 heiratete er eine Spanierin, hatte mit ihr neun Kinder und lebte in La Orotava. 1860 wurde ihm die Stelle als Gärtner im botanischen Garten in Orotava angeboten. Als Gehalt wurden ihm damals tausend Peseten angeboten, er nahm das Angebot an und blieb ganze vierunddreißig Jahre dort. Er erkannte von Anfang an den Vorteil des Klimas und des Bodens auf dieser Vulkaninsel im Atlantik. Durch seine Initiative und unter seiner Anleitung entstanden viele öffentlichen Parks und Anlagen in Santa Cruz, La Orotava und Puerto de la Cruz. Er legte aber auch viele Privatgärten an, oder veränderte bereits bestehende Gärten.
Hauptsächlich hat er jedoch viele Pflanzen, die noch unbekannt und zum Teil unbeachtet auf der Insel wuchsen, entdeckt, bestimmt und katalogisiert. Viele davon hat er auch veredelt. Eine große Anzahl dieser Pflanzen wurden von ihm dann nach Europa und in die ganze Welt exportiert. Sein Lebenswerk war und ist der Botanische Garten von Orotava. Ihr kennt ihn alle, denn heute ist das der botanische Garten, der an der Einfahrtsstrasse nach Puerto de la Cruz liegt – El Botanico. Aber darüber erzähle ich euch ein anderes Mal mehr, heute reicht die Zeit nicht mehr dazu
•*¨*•❥ ihr kennt es ja schon von anderen Beiträgen – klickt einfach auf ein Foto, dann könnt ihr euch in aller Ruhe die Bilder ansehen. Viel Spass dabei!
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Liebe Ingrid, das mit der behaupteten positiven Wirkung der Honigbienen auf die Flora des Nationalparks ist leider ein ziemlich böses, aber dennoch jedes Jahr wider besseres Wissen von den hiesigen Imkern wiederholtes Märchen. Tatsache ist folgendes: 1. Die Honigbiene ist ein auf den Kanarischen Inseln seit dem 15. Jh. Eingeführtes Haustier. Die ursprünglichen und hier biologisch angestammten Bestäuber sind zahlreiche natürlich vorkommende Insektenarten, einige Vogelarten und sogar Eidechsen. Sie alle sorgen aufgrund ihrer Ernährungsstrategie, die auf den Wechsel zwischen individuellen Pflanzen der jeweils Nektar liefernden Arten für eine gute genetische Durchmischung und die notwendige Produktion keimfähiger Samen. Das ist schon seit Millionen von Jahren so und inzwischen optimal zwischen Wildbestäubern und endemischen Pflanzenarten abgestimmt. 2. Die Sammelstrategie der Honigbienen bringt zwar höhere Bestäubungsraten (as freut die Imker, weil es viel Honig verspricht), die notwendige genetische Durchmischung ist aber wesentlich geringer, was zu einer deutlichen Reduktion fruchtbarer Samen führt und bereits den Bestand wenigstens einer Charakterart des Nationalparks (Retama) neben dem Einfluss durch Kaninchen und Mufflons ernsthaft gefährdet. Honigbienen bestäuben einfach signifikant mehr Blüten der gleichen Pflanze als Wildbestäuber und sorgen damit durch häufige Selbsbestäubung für geringere Fruchtbarkeit. 3. Die hiesigen Imkr wissen das längst. Es waren Bienenforscher von der Península, die hier vor wenigen Jahren das alles genau untersucht haben und als Konsequenz vorschlugen, die Imkerei im Nationalpark möglichst sofort zu unterbinden. Bis heute wird das nicht umgesetzt.
Herzliche Grüße
Michael
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erstens einmal herzlichen Dank für deine ausführliche Erklärung, diese Fakten waren mir völlig unbekannt. Weißt du auch wie viele Imker ihre Bienenstöcke nach oben bringen dürfen? Solange sich die Anzahl in Grenzen hält, dürfte sich der Schaden in Grenzen halten oder? Auch wenn es ein Nationalpark ist und die Natur geschützt wird, ist es heute mit Sicherheit nicht mehr möglich „Natur pur“ zu erhalten, denn dann müsste man wahrscheinlich auch die Menschenmassen aussperren. An erster Stelle die vielen Busse, die die Urlauber im Eiltempo über die Insel transportieren, für wenige Minuten zum Fotostop aus den Fahrzeugen lassen, wieder einsammeln und am Abend im Hotel abliefern. Aber das ist wieder ein anderes Thema 🙂
Ich freue mich immer, wenn ich von dir etwas Neues erfahre und dazu lernen kann. Du bist eben der Spezialist und ich versuche in einfachen Geschichten die Geschichte der Insel ein bisschen zu erklären. Es wäre schön, wenn wir wieder einmal richtig tratschen könnten, ich würde mich sehr über ein Wiedersehen freuen – abgesehen davon, dass du dir unser Museum ja noch gar nicht angesehen hast!
Für heute noch liebe Grüße und vielleicht bis demnächst einmal?
Ingrid
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sehr beeindruckende Bilder einer noch nie gesehenen Pflanze…interessant, exotisch und soo schön!
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