In der Nacht hat es ein wenig geregnet, nicht atemberaubend viel, aber unsere Pflanzen haben sich darüber mit Sicherheit gefreut. Die Luft ist wieder klar und warm und als ich um zehn Uhr das Eingangstor von ARTlandya geöffnet habe, sind mir als Draufgabe noch ein paar dicke, fette Wassertropfen, die sich zwischen den Blättern versteckt haben, auf den Kopf getropft. Der Tag beginnt ja schon viel versprechend.
Wer jetzt auf Teneriffa durch die Landschaft fährt, sieht entweder in Gärten, Parks oder irgendwo am Strassenrand immer wieder Bäume mit großen, feuerroten Blüten. Es sind die spektakulären Blüten des Afrikanischen Tulpenbaums, der auf den Kanaren auch tulipero oder llama africana, also afrikanische Flamme, genannt wird.
Er ist ein echter Immigrant aus Afrika und über seinen Immigrationshintergrund denkt hier bestimmt niemand mehr nach. Die feurige, afrikanische Schönheit hat ihren Platz in den Herzen der Menschen längst gefunden. Auch wenn der Afrikanische Tulpenbaum heute überall in den Tropen zu finden ist, ist und bleibt seine ehemalige Heimat das Hochland im tropischen Westafrika.
Der Afrikanische Tulpenbaum, Spathodea campanulata, wird 1787 zum ersten Mal in Reisetagebüchern beschrieben und gehört damals wie heute zu den auffälligsten tropischen Zierbäumen. Die großen Blütenstände verstecken sich nicht im Laub sondern ragen vorwitzig über die Blattkrone hinaus und sind so weit sichtbar. Die Knospen wachsen ziemlich unbemerkt zwischen den tiefgrünen Blättern. Zuerst sind sie hellgrün und zart, später wechselt die Farbe ins orangebraun? Unseren Sohn haben diese Gebilde immer an eine Spinne erinnert.
Die Blüten sind wie handtellergroße Halbkugeln aufgebaut. Zuerst öffnet sich zaghaft der äußere Kreis der Knospen doch sobald diese Blütenblätter verwelken, rückt die nächste Reihe nach. Wie die ausgefallenen Zähne bei einem Haifisch. Genial, oder? So ist es möglich, dass eine einzelne Blüte wochenlang blüht!
Gepflanzt wird der Baum natürlich hauptsächlich wegen seiner Blüten, aber weil er sehr schnell wächst, sein grünes Blätterkleid das ganze Jahr über behält und ständig blüht, ist er auch ein perfekter, traumhaft schöner Sonnenschirm. In der freien Natur kann der Tulpenbaum schon eine Höhe zwischen zwanzig und dreißig Meter erreichen. Aber keine Angst, wer das nicht will, kann den Baum ohne weiteres regelmäßig schneiden und dann passt er fast in jeden noch so kleinen Garten.
Der Afrikanische Tulpenbaum ist also ein perfekter Zierbaum, einen anderen Nutzen kann er leider nicht bieten. Er punktet ausschließlich mit seiner Schönheit und tut nur unseren Augen gut. Er gehört zur Familie der Trompetenbaumgewächse und deshalb hat sein Holz eine ganz schlechte Qualität. Man kann es nicht einmal als Brennholz verwenden, doch in einigen Ländern wird daraus immerhin Papier erzeugt. Ach ja, das hätte ich jetzt fast vergessen, die Medizinmänner in Afrika sollen aus diesem Holz ihre Kultstäbe geschnitzt haben. Über den Duft der wunderschönen, scharlachroten Blüten sprechen wir lieber nicht, denn sie riechen irgendwie unangenehm – aber nur wenn man die Nase direkt hinein steckt.
Und wie sieht es beim Tulpenbaum kulinarisch aus, ist da vielleicht etwas für den Obstkorb dabei? Fehlanzeige, er produziert auch keine essbaren Früchte. Aus den Blüten entwickeln sich ungefähr zwanzig Zentimeter lange, aufrecht stehende, braune Kapseln, die nach einiger Zeit der Länge nach aufplatzen und ihre Samen für die nächste Generation verstreuen.
Für die Bestäubung der Blüten sind übrigens nicht die Bienen sondern Fledermäuse zuständig! Falls sich jetzt jemand fragt, ob es auf Teneriffa Fledermäuse gibt – ja es gibt sie und die fliegenden Säugetiere sind mit Sicherheit schon vor den Menschen auf der vulkanischen Insel wohnhaft gewesen. Die Langohrfledermaus steht inzwischen unter Schutz und lebt hauptsächlich in den Wäldern und in Höhlen der Cañadas, aber wenn es bei uns auf der Finca dunkel wird, sieht man sie auch auf ARTlandya. Ich vermute, sie haben ihre Unterkünfte während des Tages unter den alten Dachziegeln, aber im Schutz der Dunkelheit gehen sie auf Raubzug und ab und zu dürften sie auch die Blüten der Tulpenbäume besuchen. Sonst würden sich an unseren Bäumen ja keine Samen bilden, oder?
Bei uns Menschen punktet der Baum also in erster Linie mit seiner Schönheit. Die Vögel würden uns eine ganz andere Geschichte erzählen, denn das weiche Holz der abgestorbenen Äste ist ein perfekter Baustoff für ihre Nester und in den großen Knospen der Blüten sammelt sich während der Nacht Wasser, das die Vögel, aber auch die Fledermäuse, als Brunnen benutzen. Probiert es einmal aus, wenn ihr die geschlossenen Blütenknospen zusammendrückt, schießt ein kräftiger Wasserstrahl heraus. Dieser Mechanismus soll eigentlich Fledermäuse zur Bestäubung anzulocken, aber auch Menschenkinder haben diese Wassertanks längst entdeckt und benutzen sie als kostenlose Wasserbomben.
Deshalb werden die Bäume in ihrer afrikanischen Heimat auch Pis Pis genannt.
•*¨*•❥ Übrigens – die Blätter, Blüten und auch die Rinde des Tulpenbaums wird in der traditionellen afrikanischen Medizin sehr vielfältig verwendet. An der Elfenbeinküste stellt man aus einem Gemisch von Blättern des Tulpenbaumes, einiger anderer Pflanzen und Kaolin eine Paste hergestellt. In anderen Regionen wie in Kamerun oder Benin wird aus der Rinde ein Pulver zubereitet, das mit Wasser vermischt zur Behandlung von Wunden und Narben verwendet wird.
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