Auf Teneriffa wird am 3. Mai, wie überall auf den Kanarischen Inseln, der Tag des Kreuzes, el Día de la Cruz, gefeiert. Los Realejos, feiert den Tag des Kreuzes auf eine ganz besondere Art und Weise und darüber möchte ich euch heute erzählen.

Cruces y fuegos de mayo, las flores y fuegos artificiales, Blumen und Feuerwerk – tagsüber stehen die Kreuze im Mittelpunkt und nach der Messe und einer prunkvollen Prozession findet in der Nacht das wohl größte und berühmteste Feuerwerk der Kanarischen Inseln statt. Zwei Stadtviertel veranstalten dieses Spektakel, bei dem sich die Straßen Calle del Sol und Calle del Medio mit ihren Feuerwerkskünsten zu überbieten versuchen. So will es die Tradition.

La Invención de la Cruz gehört zu den ältesten Festen der Insel und wurde schon bald nach der Eroberung von Bischof Muros ins Leben gerufen. Ursprünglich war es ein kirchliches Fest mit Tanz, Lagerfeuer und Blumenschmuck. Im Laufe der Zeit wurden dann immer mehr Kreuze, Kapellen und Privathäuser aufwendig geschmückt und die rauchenden Maifeuer Lagerfeuer haben sich ein grandioses Feuerwerk verwandelt.

Aber wie kam es zu dem Fest, das wir heute kennen? Das hat eine lange Geschichte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Alles begann mit der Rivalität zweier Stadtteile oder genau gesagt von zwei Straßen. Es war ein Wettstreit der Bewohner zweier Straßen in einer weit auseinander klaffende Zweiklassen Gesellschaft.

In der Calle del Medio lebten reiche Bürger, Grundbesitzer und Landherren, man nannte die Straße deshalb auch Calle de los Marqueses. In der Calle del Sol wohnten die ärmeren Leute, oft ungebildete Tagelöhner, einfache Landarbeiter und Kleinbauern in primitiven Wohnungen am Rand der großen Felder der angrenzenden Haciendas und Landgüter. Diese Lebensumstände waren der Grund der Rivalität des Wettstreits der zwei Straßen, sozusagen ein Konflikt zwischen Markgrafen und Bauern. Da war doch noch dieses kirchliche Fest für die Verehrung des Kreuzes am 3. Mai? Die beste Gelegenheit, um den reichen Nachbarn zu zeigen, dass der kleine Mann gleich gut sein konnte wie der wohlhabende Bürger, auch wenn schon damals Geld die Welt regierte.
Am Tag davor gab es ein großes Festessen mit einer traditionellen Suppe und den besten Weinen, danach Tanz und eine Brautwahl. Am nächsten Tag wurden noch die Erzeuger des besten Weines gekürt, dann war man gerüstet – die feierliche Prozession konnte beginnen.
Die Feier und begann mit dem Anstieg in der Calle del Medio und endete mit dem Abstieg durch die Calle del Sol. Im Laufe der Jahre kamen noch Heiligenfiguren dazu und zwischen 1928 und 1932 wurde der Ablauf des Festes komplett verändert. Die Prozession wurde von da an vom Kreuzträger angeführt und der Wegverlauf umgedreht, begonnen wurde jetzt mit dem Anstieg auf der steilen Calle del Sol. Nach und nach kamen noch mehr Elemente dazu, es wurden extra Tischdecken mit Hohlsaum bestickt, Ferkel gemästet und oft sogar Fohlen gezüchtet, um sie dann während des Festes zu verkaufen. Mit Begeisterung wurden in den Gassen, durch die das Kreuz getragen wurde, große und kleine Lagerfeuer angezündet, farbiger Rauch fabriziert und vor allem viel Krach und Krawall gemacht. Die Straße, die die größten Feuer und Rauchsäulen zustande brachte und auch den meisten Lärm machte, hatte gewonnen und war stolzer Sieger – bis zum nächsten Jahr!

Als im Laufe der Jahre die Pyrotechnik entwickelt wurde, kam es zu beinahe zu wahren Feldschlachten mit Knallkörpern und Raketen, die in die feindliche Straße geschossen und geworfen wurden. Der Tag des Kreuzes wurde immer mehr zum Vorwand, um gegeneinander anzutreten und verlor an religiöser Bedeutung.

Der gesellschaftliche Unterschied der Bewohner wurde bereits vor Jahrzehnten durch die Auswanderung vieler Landbewohner nach Südamerika, vor allem nach Venezuela, ziemlich abrupt beendet. Die wirtschaftlichen Gegensätze der Bewohner des Jahres 1770 verschwanden oder haben sich verändert, der Groll, el pique ist tot, aber die gespielte Rivalität zwischen den Bewohnern der beiden Gassen ist noch immer lebendig. Das muss so sein denn immerhin existiert sogar eine – wenn auch symbolische – Grenzlinie auf der Strasse.

Die Maifeuer sind verschwunden, primitive Kracher und Raketen reichen schon lange nicht mehr, heute wird der Wettkampf mit Feuerwerkskörpern ausgetragen und in dieser Nacht vermischt sich der Duft der Blumen mit dem Geruch von Schießpulver. Dafür, dass die Munition niemals ausgeht sorgen, wie in alten Zeiten, zwei Fabriken Werkstätten, Pirotecnias Hermanos Toste für El Sol und Hermanos Caballer Pirotécnicos für El Medio.

Hermanos Toste ist übrigens eine der ältesten pyrotechnischen Werkstätten in Spanien und wurde im Jahr 1788 von Marcos Toste del Castillo unter dem Namen „Teide“ in Los Realejos gegründet. Heute ist es ein eingesessener kanarischer Familienbetrieb, der Wert darauf legt, dass die Feuerwerkskörper noch nach alter Tradition gefertigt werden. Das Unternehmen wird noch immer von der Familie Toste in siebenter Generation geführt und heißt seit 1992 „Hermanos Toste Pirotecnica, S.L.“
Der Betrieb, dessen großen Werkshallen in Icod el Alto stehen, hat schon viele internationale Auszeichnungen und Preise abgeräumt und 1993 beim europäischen pyrotechnischen Wettbewerb im Fürstentum in Monaco den Sieg nach Hause getragen. Als die Firma 1995 in Monaco mit einer großartigen Vorführung auch noch zum „Meister aller Meister“ der letzten Jahre ernannt wurde, erteilte der Fürst von Monaco der Firma einen Auftrag. Sie sollten das große Feuerwerk für den Nationalfeiertag, la fête du Prince, gestalten.

Heute Nacht werden wieder alle Bewohner dieser beiden Straßen mit ihren Feuerwerksfabriken darum wetteifern, alle Zuschauer mit dem prachtvollsten Feuerwerk zu beeindrucken. Ob Feuerregen, glitzernde Sterne, sich nach oben drehende Spiralen in allen Farben und Größen, die Feuerwerker haben ihr Handwerk gelernt.
Gegen zehn Uhr nachts schlagen dumpf die Glocken im Kirchturm und läuten damit den Beginn der Prozession und die Minuten vor dem Wettkampf ein. Erst kommen die Trommler, dann der Pfarrer und hintendran ein wunderschön geschmücktes Kreuz. Aufgeputzt mit Silberkandelabern und Unmengen von Blumen, getragen von vierundzwanzig jungen Männern. Es dauert es nicht lange, die Menschenmenge steht erwartungsvoll dicht an dicht, die Trommeln in der Calle del Sol sind immer leiser zu hören und dann schießt der erste Feuerstrahl in die Nacht, es riecht nach verbranntem Pulver – die Schlacht hat begonnen.

Die Menge und Art der Feuerwerkskörper, die in dieser Nacht verbrannt werden bleibt ein gut gehütetes Geheimnis der Pyrotechniker und des Festkomitees. Für das prächtige, mehrstündige Schauspiel am Nachthimmel, werden immense Geldsummen investiert und finanziert und bezahlt wird das gigantische Feuerwerk von den Bewohnern der Stadt! Unzählige Helfer des Festkomitees arbeiten und sammeln das ganze Jahr über, um genügend Geld für das große Feuerwerk aufzutreiben. Das gesamte Geld stammt von Spenden, den sogenannten Kreuzmünzen, die jede Strasse selbst sammeln muss. Dazu kommen noch Einnahmen aus verschiedenen Verlosungen und Aktivitäten, die das ganze Jahr über durchgeführt werden. Mittel aus öffentlicher Hand fließen nicht, aber die Bewohner lieben das Fest so sehr, dass jedes Jahr ein großer Betrag zusammen kommt.

Es gibt keinen Preis und keinen offiziellen Sieger, jeder Zuschauer trägt seinen Sieger nach Hause. Der Aufwand hat sich gelohnt und alle Zuschauer haben gewonnen. So ein Feuerwerk sieht man wirklich nicht alle Tage. Einmal im Jahr brennt der Himmel über Los Realejos und in den Bars wird noch lange darüber geredet werden, wer in diesem Jahr das schönere und größere Feuerwerk in die Nacht geschossen hat.

Eine Geschichte muss ich euch noch erzählen. Es war im Jahr 2008 und wir waren das erste Mal selbst in Los Realejos um uns dieses Feuerwerk sozusagen life anzusehen. Allerdings haben wir dafür ein denkbar schlechtes Jahr erwischt, denn die Veranstaltung lief unter dem Motto „Stell dir vor, es ist Feuerwerk und keiner sieht es“.
Los gefahren sind wir um sieben Uhr, denn wir hatten keine Ahnung, wie die Veranstaltung ablaufen würde. Aber egal bei welcher Veranstaltung – eines ist immer und überall Mangelware – ein Parkplatz! Wir haben unser Auto perfekt in einer Nebenstraße geparkt und sind dann wie die Bergziegen nach oben gewandert. Unser Ziel war der Platz vor der Kirche oder der Bibliothek. Da soll irgendjemand behaupten, dass Icod de los Vinos ein Bergdorf sei. In Los Realejos sind die Gassen und Straßen um einiges steiler… und dann hat der griffige Teil des Abends begonnen. Bitte warten, bitte warten …
Warten ist auf der Insel ja nichts besonderes, es ist hier eigentlich überall üblich. Die Canarios sind sozusagen Meister im Anstehen und Warten. Deshalb regt sich auch niemand außer ein paar Touristen darüber auf, wenn zwei Ortsansässige am Rande einer Kreuzung einen kleinen Tratsch halten. Ein Hupkonzert wird dadurch nur in den seltensten Fällen ausgelöst. Aber wieder zurück zu unserem Abend. Angekündigt war das Feuerwerk für zehn Uhr in der Nacht, aber wir hätten es ja schon besser wissen müssen. Ohne Pfarrer und irgendeinem Heiligen, der mit vielen Blumen durch die Gassen geschleppt wird geht gar nix – und der war weit und breit nicht zu sehen!
Mit einer Stunde Verspätung begann das Schauspiel dann endlich, aber weil es total windstill war, bildeten sich sehr schnell dichte Rauchwolken, die die Sicht auf die tollen Bilder am Himmel vollkommen verschleierten. Das Spektakel musste abgebrochen werden. Als sich auch nach einer Stunde nichts rührte, machten sich die meisten der Zuschauer auf den Heimweg – wir auch! Wer konnte auch ahnen, dass es nachts um drei Uhr weitergehen würde! Ich nicht und ganz ehrlich, so lange hätte ich auch nicht gewartet. So kam es, dass es ein Feuerwerk gab, das außer den Nachtschwärmern fast niemand gesehen hat …
Überall auf den Kanarischen Inseln, der Tag des Kreuzes, el Dia de Cruz, gefeiert, mehr dazu könnt ihr hier lesen.
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Zu festen und zu feiern versteht man auf eurer Insel! Da sind wir „Ormutschgalan“ dagegen. Ein wirklich interessanter Bericht. Wieder einmal ein DANKE!
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da hast du absolut recht, das kommt aber wahrscheinlich auch daher, dass hier die Bevölkerung die Feste organisiert 🙂 Liebe Grüße von der Insel – auf euch kommen ja jetzt einige Feiertage zu
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ich war nicth da, ich kann es von hier aus sehen 😉
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ich war natürlich nicht nicth da, sondern nicht udn ich wolle auch nicht undercover antworten, aber da war wohl wieder mein kleiner Ghostwriter aktiv 👻
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ach deshalb der Helm 🙂
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genau – und dass der heute morgen verschwunden war lag bestimmt an den Rauchwolken ;-)))
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bist du gestern dort gewesen? Dieses Jahr habe ich es leider nicht geschafft …
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ich habe ich schon gewundert, warum gestern so früh Schluss war ;-))
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