Wunderschöne Figuren, liebevoll aufgebaute Szenen aus dem täglichen Leben im Dorf ergänzen das Bild um das Heilige Paar mit dem Jesuskind in der Krippe. Diese dreidimensionalen Bilder nennt man in Spanien Belén, Bethlehem. Eine Mischung aus Weihnachtsmärchen und einer Landschaft für Modelleisenbahnen – natürlich ohne Lokomotive und Wagons. Die gibt es auf der Insel nicht. Zur spanischen Weihnacht gehören aber nicht nur El Gordo, Truthahn, Turrón und die Heiligen Drei Könige, sondern vor allem eine Krippe, in der irgendwo versteckt, eine ungewöhnliche Figur kauert…

Da hockt doch wirklich jemand im Gebüsch und düngt mit herunter gelassenen Hosen die heilige Landschaft. Was im ersten Moment ein bisschen respektlos und doch wieder komisch wirkt, gehört zu jeder spanischen Krippenlandschaft. Die Heimat dieser Figur liegt ursprünglich in Katalonien und dort hat sie eine Jahrhunderte alte Tradition. Mittlerweile taucht das kleine Männchen auch in vielen Krippen auf den Kanarischen Inseln auf und sein Bekanntheitsgrad nahm in den vergangenen Jahren ziemlich zu.
Aber was hat der freche Bengel mit einer Weihnachtskrippe zu tun? Er passt doch überhaupt nicht ins Bild, oder doch?
Und einmal ganz ehrlich, eigentlich ist es doch das Normalste auf der Welt, wenn dort, wo viele Menschen sind, auch einmal jemand ist, der mal muss – und wenn das nun auf dem Feld in der Nähe einer Krippe der Fall ist, wo soll er denn dann hin?

Historiker können beweisen, dass die Figur im 17. oder 18. Jahrhundert zum ersten Mal in den Krippen der Katalanen auftauchte. Bis dahin wurden nur Könige oder Mitglieder der höheren Gesellschaft als Krippenfiguren dargestellt. Mit dem Realismus und damit der Abbildung des Alltags in Kunst und Kultur, tauchte auch ein traditionell gekleideter Bauer auf. Der sogenannte Caganer oder El Cagón wurde in die Krippenlandschaften gestellt. Man wollte nicht mehr nur das Leben von Adeligen und Königen zeigen, sondern den stinknormalen Alltag der Menschen. Plötzlich wurden sogar Schweine, die unter dem Tisch nach Essen wühlen, Frauen die Hühner füttern, Bäcker, Schmiede und andere Handwerker in den häuslichen Krippen aufgebaut. Ein bisschen Spott über die angeblich derben und einfachen Landbewohner war wohl auch dabei. Aber ob der Caganer wirklich eine spanische Erfindung war bin ich mir nicht sicher, denn auch in Italien, genau gesagt in Neapel, gibt es einen Cacone.

Cagar kann man laut Wörterbuch mit versauen, scheißen übersetzen, für el cagón habe ich das Wort Schisser gefunden. Ich nehme an, dass wir Österreicher liebevoll das Scheisserchen sagen würden. Er stand und steht, vornehm gesagt, mit seiner Verrichtung der Notdurft als Symbol für die Fruchtbarkeit des Bodens. Zusätzlich soll die Figur Gesundheit, Gelassenheit, Zufriedenheit und Glück bringen. Mit dieser Erklärung hat nicht einmal die Katholische Kirche Spaniens ein Problem und akzeptiert dem kleinen Mann in der Gesellschaft von Maria, Josef und dem Jesuskind. Er sticht sowieso nicht gleich ins Auge, er steht ja nicht im Vordergrund der Szene, sondern wird
in einer Ecke irgendwo in der Landschaft versteckt.

Traditionell kam die Figur, aus dem ländlichen Leben, doch wie Vieles hat sich auch die Darstellung dieser Männchen verändert. Wo sich einst ein unscheinbares, katalanisches Bäuerlein mit traditioneller Schärpe, roter Zipfelmütze, der sogenannten barretina, und einer Pfeife im Mund am Rand der Felder erleichterte, schlagen sich heutzutage alle möglichen Promis in die Büsche. Mittlerweile müssen auch prominente bekannte Persönlichkeiten als Vorbild herhalten.

Man hat die Qual der Wahl zwischen dem Präsidenten von Amerika, Angela Merkel und weiteren Politikern, aber auch andere Berufszweige kommen nicht so ohne weiteres davon. Freunde des Hochadels können sich die spanische Königsfamilie nach Hause holen, Sportbegeisterte greifen zu Ronaldinho oder Fernando Alonso, und auch für Katholiken ist das Richtige dabei. Sogar ein Abbild von Greta steht für die aktuelle Krippe bereit.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und Präsident der katalanischen Regionalregierung Artur Mas
Alle stehen sie da – mit heruntergelassener Hose und blankem Hinterteil, eingefroren in ihren privatesten Momenten, und machen uns auf ihre Anwesenheit klar – all men are created equal. Egal ob König, Terrorist, Arbeiter oder Prominenter – alle müssen einmal aufs stille Örtchen. Die Kinder denken sich wahrscheinlich nichts von alledem dabei, sie lieben ihn, weil es jedes Jahr wieder eine Herausforderung ist, den Caganer zwischen all den anderen Figuren zu finden. Ein Bekannter hat uns erzählt, dass er als Kind den Caganer mit Josef ausgetauscht hat und ihr könnt euch sicher vorstellen, dass seine Eltern darüber nicht sehr erfreut gewesen sind.
Im Katalonischen ist el caganer übrigens auch ein liebevolles Kosewort für ein kleines Kind, das noch in die Windeln kackt, ein Kleinkind, das eben noch nicht sauber ist. Wir nennen diese Kinder auch kleine Scheißer, oder?

Dieses Scheisserchen habe ich übrigens in Puerto de la Cruz fotografiert. Der junge Mann hockte allerdings nicht in der Krippe, es wurde sozusagen ins Exil geschickt. Das Argument, warum er traurig und allein außerhalb der Krippe warten musste, war kurz und bündig: „Die Figur stammt vom Festland, sowas gehört nicht in unsere Krippe“. Dabei hat Pedro, so hieß der nette Mann, verschmitzt gelacht und uns zu einer anderen Krippenszene geführt.

Findet ihr den Fehler im Bild? Das kann ja gar nicht sein? Doch, ihr habt richtig gesehen! Dank der Beliebtheit des Caganers haben sich findige Geschäftsleute sogar einen Kollegen für ihn ausgedacht – den pixaner, ein Männchen das den Boden auf seine eigene Weise düngt.

Obwohl die Tradition ja eigentlich vom Festland kommt, haben wir die beiden Figuren in den vergangenen Jahren auch auf Teneriffa in Krippen entdeckt. Falls ihr in den nächsten Tagen vor einer spanischen Krippe stehen solltet – macht euch auf die Suche, irgendwo in der Landschaft sind sie meistens versteckt! Für den Finder des Caganers bedeutet es Glück und Freude im neuen Jahr – und davon kann man nie genug haben!
Wenn ihr mehr über die Krippen wissen wollt, könnt ihr gerne in einem anderen Blogbeitrag weiter lesen. Andere Länder, andere Sitten, andere Länder, andere Krippen – Weihnachtskrippen aller Art auf Teneriffa