Es ist noch stockdunkel und trotzdem sitze ich kerzengerade im Bett. Die Reise durchs Land der Träume ist mit einem Schlag beendet. Es hat sich ausgeträumt! Was ist los? Wird da irgendwo gekämpft? Haben wir Krieg?

Weder noch, auf dem Platz vor der Kirche, nicht weit weg von uns, wurde in aller Herrgottsfrühe nur Santa Bárbara, aus dem Schlaf geböllert – mit zwölf ehrenvollen und ziemlich lauten Böllerschüssen! Der Feiertagsmarathon in Icod de los Vinos wurde damit auf jeden Fall stilvoll gestartet! Feiertagsmarathon? Heute feiert Santa Bárbara die Heilige mit dem schönen Namen Barbara. Morgen ist zwar ein normaler Tag und am 6. Dezember marschiert kein Nikolaus über die Insel aber es steht der Tag der Verfassung, Día de la Constitución, im Kalender. Am 8. Dezember wird weiter gefeiert. Dieses Mal geht es um eine andere Frau, um Maria. Maria Empfängnis, Inmaculada Concepción, ist natürlich in Spanien, wie in Österreich, ebenfalls ein Feiertag.
Doch heute ist erst einmal der Ehrentag der heiligen Barbara – el Dia de Santa Bárbara. Wir leben ja unter ihrem ganz persönlichen Schutz, im Ortsteil, el barrio Santa Bárbara in Icod de los Vinos. Es ist ein ganz besonders schöner Teil des Städtchens, denn er liegt geschützt zwischen bewaldeten Hügeln mit freiem Blick auf den endlosen Ozean. Bei guter Sicht können wir am Abend sogar die Lichter der Küste von La Palma beobachten. Die Laterne des Leuchtturms von Buenavista del Norte blinkt in regelmäßigen Abständen und hoch oben auf dem Hügel bei La Vega leuchtet das rote Licht einer Sendeantenne.
Aber wer war die heilige Barbara eigentlich? Der Legende nach wurde sie von ihrem eigenen Vater geköpft, denn das Töchterlein wollte nicht so leben, wie es sich ihr Erzeuger vorgestellt hatte. Das soll zwar öfter vorkommen, doch zum Glück löscht nicht jeder Vater deshalb das Leben seiner Tochter aus. Kennt ihr die Geschichte des Mädchens mit dem schönen Namen Barbara? Wenn ihr wollt, erzähle ich sie euch. Also, es war einmal ein schönes, junges Mädchen …
Die heilige Barbara lebte im dritten Jahrhundert nach Christus als Tochter eines reichen Kaufmanns in der heutigen Türkei. Die Geschichte erzählt, dass sie ein sehr schönes Mädchen war. Vom Vater behütet und beschützt wie einen Edelstein. Immer wenn er verreisen musste, schloss er seine Tochter Barbara in einen Turm ein, um sie vor jeder Gefahr zu schützen.

Als er einmal von einer langen Reise heimkehrte, entdeckte er an den Wänden des Turms das Zeichen der Christen, das Kreuz. Barbara war also, trotz Turm, während der Abwesenheit des Vaters Christin geworden und hatte sich taufen lassen. Die Liebe zu seinem Kind schlug beim Vater in Hass um. Barbara sollte sterben. Barbara konnte vor ihrem Vater in einen Felsspalt fliehen, der sich wie durch ein Wunder vor ihr öffnete. Sie wurde jedoch von einem Hirten verraten und als ihr Vater sie fand schleppte er seine eigene Tochter vor den Richter, dem römischen Statthalter Marcianus. Sie wurde furchtbar gefoltert, aber ihren Glauben gab sie trotzdem nicht auf. Da zog der Vater selbst sein Schwert und tötete seine Tochter. Gott strafte ihn auf der Stelle mit einem Blitzschlag, tötete den Vater und sorgte dafür, dass der ungläubige Mann bald in Vergessenheit geriet.
Seine Tochter wurde von den Menschen nie vergessen und im Laufe der Zeit zur Schutzherrin der Dachdecker, Glockengießer, Bauarbeiter, Kanoniere und Bergleute. In Spanien wird Barbara vor allem als Schutzpatronin der Artillerie verehrt. Die Heilige gilt zwar als Symbol der Wehr- und Standhaftigkeit. Die Verehrung der Heiligen Barbara als Schutzherrin des Militärs ging ursprünglich also von Spanien aus und stammt aus der Zeit der Verdrängung der maurischen Besatzer Südeuropas in der Mitte des des 2. Jahrtausends. Warum die Wahl auf die Heilige Barbara gefallen ist, kann jedoch nicht mehr nachvollzogen werden, es ist einfach so.
In einer anderen Legende kann man lesen, dass sich, als Barbara auf dem Weg ins Gefängnis war, ein Kirschzweig in ihrem Kleid verfangen hat. Den nahm sie mit, stellte ihn in einen Becher und gab ihm von dem Wasser, das sie im Gefängnis zu trinken bekam. Genau am Tag ihrer Verurteilung zum Tode begann der Zweig zu Blühen und wurde damit für Barbara ein Zeichen der Hoffnung. Eine andere Version der Geschichte erzählt, dass die im kalten Winter verdorrten Blüten auf dem Grab der heiligen Barbara genau am Abend des 24. Dezember blühten. Dieses Phänomen soll sich alljährlich wiederholt haben.

Seitdem werden am 4. Dezember so genannte Barbarazweige eingefrischt. Früher gaben die Mädchen jedem Zweig den Namen eines Verehrers. Je nachdem, welcher Zweig zuerst erblühte, wurde einer von ihnen zum zukünftigen Bräutigam – oder auch nicht! Heute frischt wahrscheinlich fast niemand mehr Kirschzweige ein. Heiraten ist nicht mehr gefragt und falls doch, klickt Mädchen sich eben durchs Internet.
So geht ein schöner Brauch nach dem anderen verloren und verschwindet in der Versenkung. Schade eigentlich, denn je schöner die Zweige zu Weihnachten blühen, umso mehr Glück kann man im nächsten Jahr erwarten. Die Barbarazweige können aber noch viel mehr! Soll ich euch das Geheimnis verraten? Wenn man sie ohne Worte vom Baum schneidet und dabei an etwas ganz bestimmtes denkt, dann geht dieser Wunsch in Erfüllung. Aber nur, wenn man niemandem davon erzählt!
Um noch einmal auf die Kirschen zurück zu kommen. Auch wenn es überhaupt nichts mit der Heiligen Barbara zu tun hat. In den guten, alten Zeiten wurden Kirschkerne gerne und oft als eine Art Wärmeflasche verwendet. Zur Zeit der Kirschernte wurden in fast jedem Haus Spucknäpfe für die Kerne der süßen, roten Früchte aufgestellt. Darin wurden die Kirschkerne gesammelt, anschließend ausgekocht, getrocknet und dann in kleine oder große Säckchen aus Leinen eingenäht. Wenn im Winter die Nächte kalt und kälter wurden, erwärmte man sie vorsichtig auf der heißen Ofenplatte und legte sie als Wärmequelle in die frostigen Betten. Die kalten Zehen waren mit Sicherheit sehr dankbar für die angenehme Wärme!
•*¨*•❥ übrigens – dass Gehölze durch einen frostigen Reiz von Kälte zum vorzeitigen Blühen gebracht werden können, wurde bereits vor langer Zeit entdeckt. Deshalb kann man die Zweige auch vorsichtshalber kurz in den Tiefkühlschrank legen, dann blühen die Zweige fast mit Sicherheit um die Weihnachtszeit.

