Roque de los Muchachos

La Palma Tag Drei – und damit der letzte Tag unseres Kurztrips auf die Nachbarinsel. Petrus hat für traumhaftes Wetter gesorgt, die Sonne lacht vom blauen Himmel und so steht einem schönen Ausflug in die Berge nichts im Weg. Das Flugzeug hebt erst um sieben Uhr abends ab und so haben wir noch einen ganzen, langen Tag vor uns. Dieses Mal wollen wir hoch hinauf, auf den höchsten Punkt der Insel.

In allen Reiseführern steht geschrieben, dass es keinen Urlaub auf La Palma ohne einen Ausflug zum Roque de los Muchachos geben dürfte. Ich bin gespannt ob das stimmt, denn wir sind schon einige Male auf der Insel gewesen – aber bis jetzt haben wir es noch nie dort hin geschafft. Keine Ahnung warum, wahrscheinlich weil es für uns so viele andere interessante Dinge zu erkunden gab. Die Insel hat neben Natur eben auch noch andere Spezialitäten anzubieten und wir haben uns jedesmal etwas anderes angesehen. Heute ist die Natur dran…

In unserem Reiseführer steht:“ Von Santa Cruz aus können sie den Roque de los Muchachos direkt über Mirca anfahren. Von dort aus haben sie bei klarem Wetter fantastische Ausblicke über die ganze Insel und hinein in den Kessel der Caldera. Selbst wenn Sie Ihren Ausflug an einem wolkigen Tag unternehmen hat er seinen Reiz. Der Rand der Caldera liegt fast immer über den Wolken. Vom Parkplatz am höchsten Punkt, dem Roque de los Muchachos, kann man einen schönen Spaziergang auf angelegten Wegen am Caldera-Rand machen.“ Die Entfernung über Straßen beträgt 42.9 km und 43 Minuten…

Die Entfernung mag ja stimmen, aber die Zeit hat wahrscheinlich die künstliche Intelligenz errechnet – oder kennt ihr eine Bergstraße, auf der man mit hundert Stundenkilometern fahren kann? Ich nicht! Abgesehen davon, dass man dann so rein gar nichts von dieser faszinierenden Landschaft mitbekommen würde. Entlang der Straßen gibt es zwar immer wieder sogenannte Miradore an denen man halten und die Aussicht genießen kann, aber schöne Ausblicke ermöglichen auch andere Stellen.

Einer davon war ein Platz vor einer kleinen Kirche. Mirca heißt dieser Ortsteil von Santa Cruz und in der kleinen Kapelle soll ebenfalls eine wichtige Jungfrau aufbewahrt werden. Nuestra Señora de Candelaria soll die kleine Schwester der Virgen de las Nieves sein, aber gesehen haben wir sie leider nicht, denn das Kirchentor war geschlossen. Dafür war der Blick nach Santa Cruz einfach traumhaft.

Für die Fahrt zum höchsten Punkt der Insel haben wir weit mehr als eine Stunde gebraucht. Kein Wunder, wir haben, zwar nicht an jeder Ecke, aber doch sehr oft, angehalten und uns in aller Ruhe umgesehen. Zum Glück war so gut wie kein Verkehr auf dieser Strasse, ich glaube, nur ein einziges Mal ist ein anderes Auto an uns vorbei gefahren, sodass wir mit gutem Gewissen einfach auf der Strasse anhalten konnten. Ausweichstellen oder gar Miradore existieren auf dieser Bergstrasse natürlich nicht.

Mai und Juni sind auch auf La Palma die Monate, in denen die Natur in dieser Höhe in voller Blüte steht. Gelbe und weiße Ginsterbüsche wohin das Auge schaut, schade, dass man auf den Fotos den unbeschreiblichen Duft nicht festhalten kann. Ich liebe diesen Geruch!

Leider ist die Blütezeit der Tajinasten so gut wie vorbei. Schade. Wir haben zwar noch ein paar Exemplare mit den hellrosa Blüten gesehen, der Großteil stand allerdings nur mehr verblüht und damit als grüne Kerze am Straßenrand. Trotzdem schwirrten noch eine Menge fleißiger Bienen und kugelige, schwarze Hummeln um die vereinzelten kleinen Blüten – und eine Unzahl an kleinen Schmetterlingen. Ich habe so kleine Schmetterlinge noch nie gesehen und ich habe auch nirgendwo nachlesen können, um welche Art es sich handelt. Vielleicht weiß es ja jemand von euch?

Je näher wir dem Ziel kommen, desto bunter wird die Landschaft. Ich habe eigentlich gar nicht das Gefühl auf einem Vulkan unterwegs zu sein, denn die sanften Hügel und die Pflanzen erinnern mich eher an eine Almlandschaft in den Alpen. Nur die bunten Felsgebilde passen nicht ganz ins Bild. So kräftig gefärbte Steinmassen können wahrscheinlich nur feuerspeiende Vulkan schaffen.

Bei diesem Felsgebilde mussten wir ganz einfach anhalten. Die Aussicht von hier ist, wie von vielen anderen Stellen natürlich auch, wunderbar. Rechts und links rotes Gestein, ockerfärbige Steinschichten und zu unseren Füssen dicht bewaldete Abhänge. Darüber spannt sich der strahlende, dunkelblaue Himmel, der über dem Meer mit ein paar schneeweißen Wattewölkchen verziert ist.

Knapp unter dem höchsten Punkt der Insel tauchen dann weit verstreut weiße Gebäude inmitten der bunten Landschaft auf, das Observatorium Roque de Los Muchachos. Oberhalb der Wolkenobergrenze, am Rand des Nationalparks, ist einer der besten Orte der Welt, um den Himmel zu betrachten. Deshalb ist auch das Observatorium und nicht der Tourismus ist in diesem Fall der Grund, warum wir heute ganz bequem auf dieser Strasse zum höchsten Punkt der Insel fahren können. Für den Bau der vielen Gebäude brauchte man natürlich eine gute Zufahrtsstraße.

Schon 1979 unterzeichneten die Staaten Spanien, Schweden, Dänemark und Großbritannien einen Vertrag, für astrophysikalische Forschungen in diesem Gebiet. Im Laufe der Jahre schlossen sich noch mehr Länder diesem Verbund an und mittlerweile arbeiten hier über sechzig Institute aus neunzehn Staaten und La Palma ist, nach den Anden in Chile, einer der bedeutendsten Forschungs- und Beobachtungsplätze der Welt. Das Hauptquartier der beiden Observatorien der Kanarischen Inseln liegt allerdings in La Laguna auf Teneriffa, das sogenannte Europäische Nordobservatorium (ENO).

Im Jahr 2009 wurde hier das weltgrößte optische Spiegelteleskop, das Gran Telescopio Canarias, für 130 Millionen Euro errichtet. Es soll die Sehkraft von vier Millionen menschlichen Pupillen haben. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, aber man könnte damit von hier aus die Flamme einer Kerze in Moskau erkennen – wenn die Erde eine Scheibe und keine Kugel wäre.

Neben den allgemein üblichen weißen, kugeligen und eckigen Gebäude eines Observatoriums stehen hier auch noch ganz besonder Spiegel in der Gegend. Auf einem Schild habe ich den Namen MAGIC gelesen. Laut der Informationstafel forscht hier die Gammastrahlen-Astronomie. Die weltgrößten Teleskope und Hightech Schüsseln mit bis zu dreiundzwanzig Meter Durchmesser fangen Licht und Gammastrahlen aus galaktischen Entfernungen auf. Das sieht schon imposant aus. Gearbeitet wird damit in der Nacht, bei Tag spiegelt sich die umliegende Landschaft in den vielen Spiegeln.  und es sollen im Laufe der Jahre noch dreizehn weitere Teleskope dazu kommen.

Die Wissenschaftler, die hier arbeiten müssen auch dafür sorgen, dass die Technik reibungslos funktioniert und so müssen die die Forscher ab und zu selbst in das riesige Skelett der Teleskope klettern. Beim Bau von MAGIC 2 kam es 2008 zu einem Unfall bei dem der deutsche Physiker Florian Goebel abstürzte und ums Leben kam. Deshalb heißt ihm zu Ehren diese Anlage inzwischen Florian-Goebel-Teleskop. Damit ein so tragisches Ereignis nicht mehr passiert, gibt es jetzt auch technisches Personal im IAC-Observatorium.

Über diese Teleskope könnte ich noch viel erzählen, aber dann wäre dieser Beitrag eindeutig eine Themaverfehlung. Hätte meine Deutschprofessorin in meiner Schulzeit gesagt. Wer sich dafür interessiert kann aber gerne in den Artikeln Insider geben Einblicke oder Die Observatotien auf dem Roque de los Muchachos mehr darüber lesen. Es ist wirklich interessant, aber wir wollen jetzt auf den höchsten Punkt von La Palma und es dauert von hier aus nur mehr ein paar Minuten.

Begrüßt wurden wir von zwei großen, schwarzen Raben. Die haben sich anscheinend ihr Wohnzimmer auf diesen Parkplatz eingerichtet. Uns haben sie nicht beachtet, aber die zwei schwarzen Vögel können auch anders, denn bei anderen Besuchern hat sich einer von ihnen ziemlich frech und heftig direkt auf die Motorhaube fallen lassen. So unter dem Motto – hast du kein Futter, erschrecke ich dich. Sie fressen zwar vor allem Insekten, Eidechsen, Mäuse und Aas, aber Körner, Eier und Obst stehen ebenfalls auf ihrem Speisezettel. Da sind Menschen, die etwas Essbares mitbringen könnten natürlich sehr gefragt.  

Nachdem wir auf der ganzen Fahrt so gut wie kein Auto gesehen habe, hätte ich nie gedacht, dass wir hier heroben so viele Menschen sehen würden. Im nachhinein muss ich sagen, dass das eigentlich logisch war, denn auf die Zufahrtsstraße von der anderen Seite der Insel habe ich ganz vergessen. Es wurde zwar eng, doch es waren trotzdem keine Menschenmassen daran schuld. Der kleine Parkplatz hat eben nur für zwanzig Autos Platz – und den allerletzten haben wir bekommen. Glück muss man haben! Einer Entdeckungstour stand also nichts mehr im Weg.

Der Roque de los Muchachos ist mit seinen 2426 Metern nicht nur der höchst Berg La Palmas, er ist nach dem Teide auch der zweithöchste Gipfel der Kanarischen Inseln. Aber woher kommt der Name Roque de los Muchachos? Den hat er der Form dieser Felsgruppe zu verdanken. Einer Gruppe von kleinen, drei Meter hohen Felsen, die einer Gruppe von jungen Burschen ähneln soll. Naja, mit viel Fantasie ist das vielleicht zu schaffen. Mich erinnert der Name eher an alte Western die in Mexiko spielten.

Der Nationalpark Caldera de Taburiente liegt in der Mitte der Insel, sozusagen im Herzen La Palmas. Es ist ein riesiger, halbkreisförmiger Krater im nördlichen Zentrum der Insel. Er hat einen Umfang von knapp dreißig Kilometern, einen Durchmesser von ungefähr acht Kilometern und die schroffen Felswände gehen bis zu zweitausend Meter in die Tiefe. Die Caldera de Taburiente gehört damit zu den größten Erosionskratern der Erde.

Die Caldera de Taburiente spielte auf La Palma immer eine wichtige Rolle. In den Wintermonaten stürzen hier bei Regenfällen ziemlich große Wasserfälle die Kraterwände hinunter und sammeln sich im Taburiente, dem einzigen Fluss der Kanaren.

„Bei klarem Wetter sieht man den Teide auf der Nachbarinsel Teneriffa aus Meer und Wolken ragen. Bei sehr guter Sicht auch die Inseln La Gomera und El Hierro.“ heißt es im Reiseführer. Die beiden Inseln konnten wir zwar nicht entdecken, aber weit draußen am Horizont können wir den Umriss des Teide erkennen. Jetzt noch weit entfernt, aber in ein paar Stunden hebt unser Flugzeug Richtung Teneriffa ab. Es wird Zeit für uns, wir sollten uns schön langsam auf die Rückfahrt machen.

Meistens wird man ja durch perfekte Fotos in den Reisekatalogen zu einem Urlaub verführt und ist dann ganz enttäuscht, wenn es in der Realität ganz anders aussieht. Auf La Palma ist die Natur schöner als Fotos, die Stimmung festhalten können.

Nach einem kurzem Stopp in Santa Cruz sind wir dann abends am Flughafen von La Palma gewesen. Das Flugzeug ist pünktlich abgeflogen und wir sind wieder gut auf Teneriffa gelandet. Ein paar Fotos aus der Abflughalle des feudalen Aeropuerto de La Palma möchte ich euch aber doch noch zeigen.

Den Platz für unseren Mietwagen haben wir relativ schnell gefunden und nachdem wir über vier oder fünf Rolltreppen und Treppen in die Haupthalle gelangt sind, die Schlüssel am Schalter in der Ankunftshalle zurück gegeben haben, ging es über eine weitere Rolltreppe zur Sicherheitskontrolle. Den BoardingPass haben wir bereits beim Abflug in Los Rodeos bekommen und so geht es jetzt frisch geprüft und für flugsicher befunden Abflugbereich.

Über Platzmangel kann sich hier wirklich niemand aufregen, oder? Die Gates liegen jetzt übrigens im ersten Stock und deshalb muss jeder Passagier über eine Treppe wieder nach unten aufs Rollfeld gehen. Ich habe gelesen, dass der neue Flugplatz für drei Millionen Passagiere ausgelegt worden ist. La Palma hat aber nicht einmal ein Drittel davon.

Ob da bei der Planung etwas daneben gegangen ist? Mir hat der alte Flughafen besser gefallen. Klein aber fein – genau richtig für diese kleine, grüne Insel mit ihren wunderschönen Ecken. Wir kommen sicher bald wieder – aber vorher stehen noch ein paar andere Inseln auf meiner Wunschliste…

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2 Antworten zu Roque de los Muchachos

  1. Danke für das Lob Brigitte! Auf den Inseln gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken 🙂
    Liebe Grüße!

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  2. BrigitteE Bremen schreibt:

    Du schreibst wirklich gute Reiseberichte und illustrierst sie mit herrlichen Fotos.
    Einiges davon habe ich auf La Palma selbst gesehen, vieles aber auch nicht.
    Danke für die schönen Eindrücke.

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