Der letzte Abend in Ronda, morgen geht die Reise weiter. Ich habe noch nie in meinem Leben eine Stierkampfarena, una Plaza de toros, von innen gesehen und jetzt hätte ich noch die Gelegenheit dazu. Also warum nicht? Nicht weit vom Hotel entfernt steht, dieser Stier vor den Mauern der Arena und da kann der Eingang ins Innere ja nicht weit entfernt sein.
Es ist zwar schon ziemlich spät, aber wir haben Glück, wir bezahlen den Eintritt und haben noch genug Zeit, um uns in Ruhe umzusehen. Einen Vorteil hat die späte Stunde schon einmal – es sind so gut wie keine Besucher mehr hier. :o)
La Plaza de Toros ist nicht nur eine Stierkampfarena sondern eigentlich ein Ort, an dem die königliche Kavallerie zu Hause ist. Auf königlichen Erlass von Felipe II. wurde 1573 hier die Bruderschaft der Ritter des Heiligen Geistes von Ronda, Real Maestranza de Caballería de Ronda, als Unterstützung des Adels für die Verteidigung des Territoriums gegründet. Damit wollte der König für die Sicherheit seines Reiches sorgen und dafür musste er genügend Pferde und vor allem ausgezeichnete Reiter zur Verfügung haben.
Damit Reiter und Pferde trainieren und ihre Geschicklichkeit beweisen konnten, brauchte man einen Platz. Zu diesem Zweck richtete die Bruderschaft einen Raum in der Stadt für Reitübungen ein. Laut Statuten der Maestranzas wurde mit Schilfrohr, Laufringen und Speeren gekämpft. Zum Training gehörte, nach alter Tradition, auch der Kampf mit Stieren, der für die Bevölkerung gleichzeitig ein aufregenden Schauspiel war.
Im Laufe der Zeit stand nicht mehr das Militär im Mittelpunkt, sondern eher die Reitkunst. Seit 1725 trainierte ein Picador die Pferde und gab den Burschen Reitunterricht. Ihren Auftritt hatten die Reiter und ihre Pferde jedoch nicht mehr bei der Kavallerie sondern nur noch bei luxuriösen Festen des Adels. Da wurden dann rassige Pferde, aufwendige Kostüme und viel Reichtum zur Schau gestellt.
Um zusätzlich etwas Geld in die Kasse zu bekommen, erhielt die Bruderschaft irgendwann das Privileg, zweimal im Jahr einen Stierkampf abhalten zu dürfen. Der erste Stierkampf wurde allerdings erst Jahre nach dieser Erlaubnis, als die Arena fertig gebaut war, abgehalten.
Ich habe oft gelesen, dass die Stierkampfarena von Ronda die älteste und größte in Spanien sein soll, aber so ganz stimmt das nicht. Mit den ungefähr fünftausend Zuschauerplätzen kann sie gar nicht zu den großen Arenen gehören. Mit der Größe ist nämlich nicht das Gebäude sondern die Manege, die sogenannte Rueda gemeint. Dieser große, runde Kreis aus Sand hat einen Durchmesser von sechsundsechzig Metern, sechs Meter größer als die insgesamt größte Stierkampfarena Spaniens, die Plaza Toros Las Ventas in Madrid – und ist damit die größte Arena der Welt.
Mit dem Alter der Stierkampfarena von Ronda ist das auch so eine Sache. Tatsache ist, dass die Stierkampfarena in Sevilla 1785 fertig war. In Ronda wurde la plaza de toros zwar 1784 fertiggebaut und im Mai mit einem Stierkampf, einer Corrida, eingeweiht, doch während der Veranstaltung kam zu einer Katastrophe. Durch die zu große Menschenmasse stürzte ein Teil der Tribüne ein, zehn Menschen starben und viele wurden verletzt. Die Arena wurde wieder geschlossen.
Ein Jahr später war es dann endlich soweit, der erste Stierkampf in der neuen Arena fand statt. Alle Adelsfamilien von Ronda waren anwesend, die Stadt war mit bunten Fahnen geschmückt und in den Straßen fand ein großes Fest statt. An diesem Tag erblickte, mit Pedro Romero, dem ersten Torero der Geschichte, der moderne Stierkampf das Licht der Welt.
Warum mit dem ersten Torero? „Pedro Romero war der Enkel von Francisco Romero, der während der Herrschaft von Felipe II. einem Aristokraten das Leben rettete. Damals war die Stierkampfarena von Ronda der Sitz der Real Maestranza de Caballería, einer Reiterschule, in der auch Stiere genutzt wurden. Als eines Tages ein Aristokrat von seinem Pferd fiel, kam Francisco Romero ihm zur Hilfe und lenkte den Stier mit einem Hut ab. Der Hut wurde durch das Tuch ersetzt und der Stierkampf war geboren.“ erzählt die Geschichte. Pedro Romero wurde in den darauf folgenden Jahren zum Meister seiner Kunst und beendete seine Karriere, ohne ein einziges Mal verletzt zu werden. So wurde er zu einem der größten Toreros in der Geschichte des Stierkampfes – habe ich im Museum gelesen.
Natürlich haben weder Pedro noch sein Großvater den Stierkampf erfunden. Der Mensch hat seine Kraft schon in Urzeiten mit dem Bullen gemessen. Im Mittelalter war der Stierkampf ein beliebter Sport des Adels. Dabei kämpfte der Adelige als Reiter gegen den Stier, diesen Wettkampf nannte man Suerte de Cañas. Im achtzehnten Jahrhundert kam diese Tradition in der adeligen Gesellschaft mehr oder weniger aus der Mode, jetzt durfte die ärmere Bevölkerung ihre Kräfte messen.
So kam es, dass Francisco, Juan und Pedro Romero – Großvater, Vater und Sohn – Geschichte schrieben, denn sie waren im achtzehnten Jahrhundert die ersten Männer, die den Stier auf Augenhöhe, also zu Fuß und mit einem Schwert, anstelle einer Lanze, bekämpften.
Im Laufe der Zeit wurden dafür Regeln entwickelt, die heute noch gelten. Deshalb nennt man la Plaza de Toros de Ronda wahrscheinlich auch die Wiege des modernen Stierkampfes, einen streng reglementierten Kampf zu Fuß und nicht auf dem Rücken eines Pferdes. Pedro, der über fünftausend Stiere unverletzt besiegt hat, ist außerdem auch noch zuständig für la Muleta, das rote Tuch, mit dem der Stier irritiert wird. Dabei sieht der Stier die Farbe nicht einmal. Ihm ist die Farbe mit Sicherheit egal, denn soviel ich weiß, sehen Rinder ziemlich schlecht. Sie erkennen uns nur sehr unscharf, grün und blau funktioniert noch ganz gut, aber bei rot sieht ihre Welt gar nicht mehr bunt aus. Deshalb sollten wir uns in der Nähe von Rindern ruhig und nicht hektisch bewegen :o) Die Stiere reagieren also auf die hektische schnellen Bewegungen und nicht auf das rote Tuch.
Die Stierkampfarena von Ronda ist vielleicht nicht die älteste in Spanien, aber auf jeden Fall die älteste Stierkampfarena, die komplett aus Stein gebaut wurde. Einzigartig ist auch, dass alle Sitzplätze überdacht sind. Die Sitzplätze im Schatten sollen übrigens teurer verkauft werden, als die in der Sonne. Das gilt vielleicht auch für andere Veranstaltungen, denn ein Stierkampf wird nur mehr einmal im Jahr veranstaltet, in der übrigen Zeit finden hier andere kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Festivals und Ausstellungen statt.
Bevor wir durch die Arena zum Ausgang gehen, sehen wir uns noch ein ein wenig hinter den Kulissen um. Zwischen dem angrenzenden Gebäude der königlichen Reitschule und der Arena befinden sich die Boxen, in denen die Stiere auf ihren Einsatz in der Arena warten. In diesen kargen Zellen verbringen sie also ihre letzten Stunden. Weit weg von den gewohnten grünen Weiden und das erste Mal im Leben in einem gemauerten Raum. Wenn der Zeitpunkt für ihren Auftritten gekommen ist, werden die Türen dann über Seilzüge vom ersten Stock aus geöffnet. Der Weg durch den Gang führt direkt in die Arena.
Ich habe mich eigentlich nie mit dem Thema Stierkampf beschäftigt, ich möchte und werde mir auch keinen ansehen. Ich bin nicht mit dieser Kultur aufgewachsen und glaube, dass man als Außenstehender nicht immer alle Traditionen oder Bräuche verstehen kann oder muss. Akzeptanz und Toleranz nennt man das, oder? Die Einstellung dazu hat sich in den letzten Jahren bei vielen Menschen zwar geändert und oft habe ich das Gefühl, dass andere Standpunkte und Lebensweisen oder gar Meinungen nicht mehr salonfähig sind, trotzdem finde ich es richtig und wichtig, andere Meinungen kennenzulernen.
Mich interessieren fremde Kulturen und alte Geschichten, die sind für mich spannender als fast jeder Krimi. Und wenn ich dann irgendetwas genauer wissen will, komme ich leider oft vom Hundertsten ins Tausende. Und genau das ist jetzt auch wieder passiert :o) Wahrscheinlich deshalb, weil ich genau weiß annehme, dass viele Menschen beim Thema Stierkampf sofort Rot sehen. Ich wollte auch gar nicht über den Stierkampf sondern über die Arena schreiben – aber wenn man sich eine Stierkampfarena anschaut, kommt automatisch auch der Kampf ins Spiel.
Meine Weisheiten habe ich zum Großteil aus dem Museum dieser Arena mitgenommen. Ich hatte zum Beispiel vorher keine Ahnung, dass ein Stierkampf relativ schnell vorbei ist. Eine Corrida dauert zwanzig Minuten, dann ist der Stier tot. Alles folgt einer genau festgelegten Choreographie, die seit Jahrhunderten gleich ist. Die Befürworter nennen das Tradition, die Gegner Tierquälerei. Befürworter argumentieren, dass die Stiere nur eine kurze Zeit in der Arena leiden, ihr ganzes Leben artgerecht auf der Weide verbringen, Rinder, Schweine oder Hühner aber eigentlich industriell produziert und dann noch auf langen Wegen in diversen Schlachthöfen meistens nicht sehr tiergerecht ihr Leben aushauchen.
Auf die Frage, ob der Mensch ein Tier ohne direkten Nutzen töten dürfe, hat Eduardo Miura, einer der bekanntesten Züchter der Kampfstiere folgendes geantwortet: „Den Hund lieben die Menschen, aber das Filet auf dem Teller sehen sie ohne jedes Mitgefühl – als wäre das Filet nicht auch einmal ein Tier gewesen.“ Woraus er folgert: „Die meisten Menschen verschließen die Augen vor der Realität des Todes, weil sie zu schockierend ist.“
Ich glaube, darüber könnte man stundenlang debattieren – und das möchte ich jetzt nicht. Aber was mich auch noch zum Nachdenken bringt, ist das Verhalten der Künstler. Egal ob Maler, Schriftsteller oder Musiker, in vielen Werken spielt der Stierkampf eine wichtige Rolle. Picasso, Goya, Hemingway, Orson Welles und die Welt des Flamencos sind nur ein paar Beispiele.
Beim Stierkampf handelt es sich um eine Begegnung mit dem Tod, dem sicheren Tod des Stiers und dem möglichen Tod beteiligter Menschen. Man könnte es auch so sagen: „Der Stierkampf inszeniert das Drama des Lebens als Fest. Dabei bilden aber nicht dessen Beginn oder seine Mitte den Höhepunkt, sondern die Glorie eines großen Todes. Ganz zweifellos ist die Corrida auch ein grelles Spektakel, in dem Blut, Leid und Tod eine tragende Rolle spielen, aber eben nicht nur das, sondern auch Kunst, Schönheit und Rhythmus.“ oder wie Ernest Hemingway weiter geschrieben hat: „Der Stierkampf ist die einzige Kunst, in der sich der Künstler in Todesgefahr befindet.“
Den Satz lasse ich jetzt einfach einmal so stehen :o) Ich wollte euch eigentlich nur von unserem Besuch der Plaza de Toros erzählen…
Nächste Station ist Malaga. Ab jetzt haben wir keine Unterkünfte im voraus gebucht, wir wollen einfach dort bleiben, wo es uns gefällt. Unser Route haben wir nur grob geplant, wir wollen der Küste entlang nach bis nach Cádiz und dann weiter nach Sevilla. Damit schließt sich der Kreis.
Ach ja, wer sich näher für die Real Maestranza de Caballería de Ronda, also die Königliche Reitschule von Ronda interessiert und vielleicht noch ein bisschen im Museum der Arena stöbern möchte, klickt einfach auf den Link :o)
Ronda ist eine ganz faszinierende Stadt mit vielen Überraschungen, die wir auch bereits vor drei Jahren während unserem Andalusien-Urlaub erkundeten und nicht nur von der dortigen Plaza de Toros sehr begeistert waren!
Innerhalb der Arena gibt es außer dem imposanten „Schauplatz“ auch noch sehr viele interessante Bilder mit Informationen in den Gängen und lohnt sich sehr eine Führung mitzumachen!
Gibt auch Beiträge darüber bei mir im Blog. 😉
Seit einer Woche wieder vom wunderschönen Urlaub aus Andalusien zurück danke ich dir für diese schönen Erinnerungen aus vorherigen, ebenso schönen Urlauben in dieser faszinierenden Region Spaniens und wünsche dir einen guten Start in die Woche 🌺🍀☀️
Liebe Grüße, Hanne
LikeGefällt 1 Person
Du hast absolut recht Hanne! Wir haben uns auch alles genau angesehen und ich habe mir vorher gar nicht vorstellen können, wie viele interessante Dinge es in diesem Umfeld gibt. Deine Beiträge werde ich mit Sicherheit so schnell wie möglich lesen :o) Ich bin schon jetzt neugierig darauf.
Andalusien hat uns bestimmt nicht das letzte Mal gesehen!
Ebenfalls liebe Grüße, alles Liebe
Ingrid
LikeGefällt 1 Person
Kannst du mir noch verraten, wie ich deine Beiträge über eure Reise nach Andalusien am schnellsten finde? Ein Link wäre toll :o) Danke!
LikeLike
Normalerweise findest du die Beiträge in meinem Blog rechts über „suchen…“, aber habs gerade schnell rausgesucht und für Beiträge der diesjährigen Reise dorthin fehlt mir noch die Zeit. 😉
Sehr gerne!
https://hanneweb.wordpress.com/2018/06/
LikeGefällt 1 Person
P. S. : Dieser Urlaub liegt doch schon etwas länger zurück und hatte wohl die schlimme C-Zeit dabei einfach ausgeblendet. 😉
LikeGefällt 1 Person
herzlichen Dank! ihr habt ja eine tolle Reise gemacht und Orte gesehen, in denen wir noch nicht waren. Mijas werden wir uns sicher auch noch ansehen :o)
LikeGefällt 1 Person
Ein geradezu besonderer Bericht!
Wunderbar erklärt und ganz tolle Bilder als Unterstützung zur Beschreibung.
Danke für die Mitnahme in eine Welt, wovon man hier zu Lande weniger erfährt !
G. l. G. Jochen
LikeGefällt 2 Personen
Dafür sind meine Geschichten da :o) Ich war selbst ganz erstaunt, wieviel Geschichte hinter einer simplen Arena stecken kann. Liebe Grüße – du kannst ja weiter neugierig bleiben, die Reise geht noch weiter!
Ingrid
LikeGefällt 1 Person
Danke für die netten Worte – auf die Fortsetzung bin ich gespannt 😍 !
G. l. G. Jochen
LikeGefällt 1 Person