Tigaiga – Los Realejos

Wenn wir von Icod de los Vinos nach Puerto de la Cruz fahren, wählen wir hie und da auch die Straße, die über La Guancha und Icod El Alto führt. Vom Mirador mit dem durchtrainierten Guanchen am Abgrund hat man ja einen tollen Ausblick und wenn es das Wetter zulässt, sprich die Aussicht ist schön, bleiben wir hier immer stehen.

lance_artlandya2a.jpg

Als ich vor ein paar Wochen dieses Haus, das ganz allein auf weiter Flur steht, entdeckt habe, war es sofort klar, dass ich dort einmal hin will. Das muss ich aus der Nähe sehen.

los_realejos_artlandya.jpg

Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber ich habe es geschafft. Tigaiga heißt der Ortsteil von Los Realejos und die überschaubare Siedlung befindet sich eigentlich direkt unter den steilen Felsen, der Ladera Tigaiga, von wo der letzte Guanchenkönig in den Tod gesprungen sein soll ist. Aber das ist eine andere Geschichte.

tigaiga_realejos1.jpg

Die ersten Siedler diese Gegend waren Landarbeiter aus der nahe gelegenen Hacienda de Los Príncipes. Dieses Anwesen war damals über sechszehn Hektar groß und um es zu bewirtschaften, brauchte man Arbeiter. Viele Arbeiter. Angebaut wurde Zuckerrohr, denn mit Zucker konnte man richtig reich werden und hier auf der Insel waren die Voraussetzungen für den Anbau fast perfekt. Die eroberten Guanchen und Sklaven aus Afrika sorgten dafür, dass die Wirtschaft funktionierte und die Kassa klingelte.

Dieses Geschäftsmodell war bis ins frühe 17.Jahrhundert äußerst lukrativ, dann schlug allerdings die Zuckerrübe den Zuckerbaronen ein Schnippchen und vorbei war es mit dem Geldsegen. Doch über Sklaven und Zuckerrohr wird heute nicht mehr gerne gesprochen. Es scheint fast so, als hätte es sie nie gegeben.  Auf den Zucker folgte dann der Wein, die Laus und erst ungefähr zweihundert Jahre später die Banane.

tigaiga_realejos3.jpg

Im Dorf selbst gibt es nicht viel zu sehen. Ziemlich am Ende der Straße stößt man auf eine kleine Kapelle mit einem unerwartet großen, gepflasterten Platz. La Ermita Nuestra Señora de La Concepción. Ein hübsche Kapelle, schön renoviert aber leider, wie fast bei allen Kirchen oder Kapellen auf dieser Insel, mit verschlossenen Türen.

tigaiga_realejos3abb.jpg

Ein Stückchen weiter ist mir am Strassenrand eine Tafel aufgefallen und dank der Information darauf, weiß ich jetzt, dass an dieser Stelle einer der ältesten Waschplätze von Los Realejos steht. Früher gehörten die Waschplätze zum Dorfleben, denn Wasser war überlebenswichtig, sowohl am Feld, fürs Vieh aber vor allem für den Menschen selbst.

tigaiga_realejos5.jpg

In alten Zeiten kamen die Frauen mit ihrer Schmutzwäsche hierher, denn eine andere Möglichkeit um die Wäsche zu waschen gab es nicht. Wenn ich mir die Becken heute anschaue, kann ich mir das gar nicht vorstellen, aber zum Glück haben sich die Zeiten ja geändert und das Wasser fließt bei mir zu Hause bequem aus der Wasserleitung in die Waschmaschine. Aber wie gesagt, der wichtigste und  am besten erhaltene Waschplatz dieser Gegend ist der von Tigaiga, er stammt aus dem Jahr 1701 und wurde erst vor kurzem restauriert.

tigaiga_realejos4.jpg

Einmal noch um die Kurve und damit wäre die Ortsbesichtigung vorbei. Wer hätte das gedacht, in einem dieser Häuser muss ein Maler leben. Anders kann es gar nicht sein, denn irgendjemand hat nicht nur die Wand des kleinen Häuschens verschönert, sondern auch noch einen kleinen Wassertank und einen Teil der Mauer rund um das Grundstück mit tollen Gemälden versehen.

tigaiga_realejos4abcdefg.jpg

Noch mehr Fotos davon könnt ihr euch gerne am Ende des Berichtes ansehen, ich zeige euch noch ein paar Eindrücke der Umgebung, denn ich wollte ja eigentlich das Haus vom ersten Foto von der Nähe sehen.

tigaiga_realejos6a.jpg

Wir finden eine schmale Gasse und machen uns also auf den Weg. Am Anfang ist die Straße noch asphaltiert, einige Häuser stehen am Straßenrand, doch es dauert nicht lange, und es wird ruhig um uns.

tigaiga_realejos6ab.jpg

Hier bellt kein Hund und keine Menschenseele ist unterwegs. Ab und zu huscht eine Eidechse über den Weg, ein paar Vögel zwitschern – aber sonst ist es still. Totenstill.

aussicht_tigaiga.jpg

Am Ende des Weges stehen die Überreste eines kleinen Hauses und als wir uns genauer umsehen, bemerken wir, dass wir direkt über der Hauptstraße stehen. Die Aussicht ist einfach traumhaft, denn die ganze Küstenlandschaft liegt wie ein ausgebreiteter Teppich vor uns.

aussicht_tigaiga1aa.jpg

Wir machen uns auf den Rückweg und es dauert auch gar nicht lange, und das Haus, das ich mir ansehen wollte, ist in Sicht. Schade, dass wir diesen Ausflug nicht ein paar Monate früher gemacht haben, denn jetzt wandert man teilweise nicht mehr durch grüne Felder und Wiesen sondern zwischen umgepflügten Erdklumpen durch die Gegend.

tigaiga_realejos6h.jpg

Wie tot und verlassen wirkt die Umgebung und die verlassenen Häuser und Ruinen ändern an diesem Gefühl nicht wirklich etwas zum Guten. An der Einfahrt des Hauses hält ein alter Drago die Stellung, schade, dass er zu den stummen Zeitzeugen zählt.

tigaiga_realejos7b.jpg

Der alte Drago und die anderen Bäume rund um das Anwesen könnten sicher einige spannende Geschichten erzählen. Sie tun es aber nicht und so bleibt die Geschichte für mich leider ein Geheimnis. Vielleicht kennt sie ja einer von euch? Wer hat hier einmal gelebt und warum ist heute niemand mehr hier?

tigaiga_realejos7bab.jpg

Der Putz bröckelt von der verblassten Fassade und der Regen plätschert vermutlich durchs Dach, doch vor vielen Jahren hat hier jemand sicher sehr gut gelebt. Das Haus hat schöne, helle Räume und rund um das Gebäude muss ursprünglich eine Terrasse gewesen sein. Die Kronen der Bäume werfen heute noch einen angenehmen Schatten, aber jetzt sitzt niemand mehr unter den Bäumen. Sogar Fenster und Türen fehlen, anscheinend interessiert sich kein Mensch mehr für dieses Haus.

Verlassene Orte haben für mich immer etwas geheimnisvolles an sich. Ruinen und verwilderte Herrenhäuser faszinieren mich, gerade weil sie verwahrlost und manchmal ein bisschen unheimlich sind.

tigaiga_realejos2ab.jpg

Und auf Teneriffa kann man aus dem Vollen schöpfen, denn solche Häuser findet man an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Es ist, als ob die Zeit stehen geblieben ist und es ist jammerschade, dass die meisten davon in einigen Jahren verschwunden sein werden. Einen Teil holt sich die Natur zurück und der Rest zerfällt still und leise zu Staub.

Und hier sind die versprochenen Fotos von diesem Ausflug, viel Vergnügen, zum Vergrößern klickt ihr ganz einfach auf eines der Bilder …

 

 

 

13 Gedanken zu “Tigaiga – Los Realejos

  1. Teda Lessiak

    Insgesamt 4 Wochen, zwei sind noch übrig!😃 Island ist mein Lieblingsland, seit 37 Jahren! Da war ich das erste Mal da. Okay, dann hab ich irgendetwas falsch gemacht, jedenfalls hab ich weder meine Nachricht noch deine Antwort wiedergefunden… Macht nix, ist ja nix passiert. Herzlich, Teda und Günther

    Gefällt 1 Person

  2. Teda Lessiak

    Jetzt schreib ich dir zu diesem Bericht schon zum zweiten Mal, denn anscheinend ist nichts „gelandet“!?!? Deine Erzählung ist wie immer interessant und ich dachte zuerst, du schreibst über das Hotel Tigaiga, das neben San Antonio. Hätte mich allerdings gewundert!!! Im Moment lese ich deine Zeilen noch begeisterter, weil wir in Island sind und ich viel Zeit habe. Danke!

    Gefällt 1 Person

    1. komisch – ich habe deinen Kommentar sogar beantwortet … Aber ich bin mir ziemlich sicher, du hast unter ein Foto geschrieben, dann findest du die Antwort auch unter dem Foto 🙂

      Wie lange seid ihr denn noch in Island? Wir haben gerade vor ein paar Tagen einen tollen Bericht darüber gesehen. Liebe Grüße in den Norden – und ich freue mich schon auf deinen Reisebericht!!!!

      Like

  3. Claudia Hocke-Wulfhorst

    Es sind mal wieder super schöne Bilder von Dir , ich mag die alten Gemäuer auch sehr gerne und finde es immer schade wenn es vor sich hin siegt , lg an Euch

    Like

  4. Hallo.
    Da habt ihr wirklich eine schöne Ecke Teneriffas entdeckt und beschrieben, die ziemlich unbekannt ist. Ich wollte schon lange mal auch einen Artikel darüber schreiben – vielleicht mache ich das noch. Vielleicht finde ich dann auch heraus, was es mit dem verlassenen Haus auf sich hat. Da fragt man am besten immer die alten Leute.
    Eine kleine Ergänzung noch: Es war nicht die Zuckerrübe, die den Zuckerrohranbau hier beendet hatte. Die Zuckerrübe wurde in Europa erst Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt und angebaut. Mit dem Zuckerrohr ging es aber schon 150 Jahre früher hier in Teneriffa bergab. Der Grund war der kostengünstigere Anbau in Mittel- und Südamerika.
    Liebe Grüße,
    Gerardo

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..