Los Llanos und der Vulkan

Tag Zwei auf La Palma. Das Wetter ist perfekt und nach einem Kaffee im Schatten der Lorbeerbäume auf der Plaza de la Alameda machen wir uns auf dem Weg zum Auto. Am Abend haben wir nämlich hier in der Nähe des Barrancos einen Übernachtungsplatz für unseren fahrbaren Untersatz für die vergangene Nacht gefunden. Auf dem Weg dort hin kommen wir an einem sehr bekannten Schiff und einem, vielleicht weniger bekannten, Zwerg vorbei.

Christoph Kolumbus segelte mit seinem Flaggschiff Santa Maria und den beiden Begleitschiffen, den Karavellen Nina und Pina zwar öfter an den Kanarischen Insel vorbei und obwohl er nie einen Fuss auf La Palma gesetzt hat, steht am Anfang oder am Ende der Plaza ein originalgetreuer Nachbau der Santa Maria. Davor steht ein lustiger Zwerg, el Enano, der ebenfalls eine eigene Geschichte hat, aber die erzähle ich euch ein anderes Mal…

Von Santa Cruz nach Los Llanos führt ein gutes Stück lang eine alte, kurvige Straße durch dichte Kastanienwälder. Seit der Tunnel gebaut wurde fährt man in diese Richtung teilweise ganz entspannt auf einer Einbahnstrasse durch die Landschaft. Auf der Rückfahrt führt die Strasse durch einen langen Tunnel, deshalb bekommt man dann leider gar nichts von der Umgebung mit. Dafür ist man schneller am Ziel und Zeit soll ja bekanntlich Geld sein. Kein Vorteil ohne Nachteil.

In die Richtung Los Llanos gibt es ebenfalls zwei oder drei kurze Tunnelröhren durch die Felswände, ich kann es nicht mehr genau sagen. Auf alle Fälle sieht die Landschaft am Ende des letzten Tunnels plötzlich anders aus. Die Kastanienwälder sind verschwunden und eine hügelige, sanfte Landschaft breitet sich vor unseren Augen aus.

Ein paar Kilometer weiter liegt Argual, einer der ältesten Stadtteile von Los Llanos. Hier sind wir vor Jahren schon einmal gewesen und eine wunderschöne Vase aus der Glasbläserei in der hintersten Ecke des Platzes erinnert mich noch sehr oft an diesen Ort.

Nach der Eroberung durch die Spanier ließen sich hier die Zuckerbarone häuslich nieder. Ein paar handverlesene Großgrundbesitzer, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts im Aridanetal die Wasserrechte besaßen, Zuckerrohr anbauten und in ihren eigenen Mühlen verkochten, waren die Gewinner und Nutznießer der Missionierung der sogenannten Heiden auf der Inseln im Atlantik. Diese kleine Elite hatte damals nicht nur die wirtschaftliche sondern auch die soziale und politische Macht über alles und jeden fest im Griff.

Die Plaza de Sotomayor war in alten Zeiten angeblich der Treffpunkt der Adeligen feinen Gesellschaft von La Palma. Die ersten Großgrundbesitzer bauten hier in dieser Ebene von Argual ab Ende des 15. Jahrhunderts ihre Sommerhäuser. Im Winter hielten sich die hohen Herren, den Erzählungen nach, meistens in der Hauptstadt Santa Cruz de La Palma auf.

Die wohlhabenden Familien hatten ihre Ländereien mit Zuckerrohr rund um die Plaza Sotomayor und in den niederen, einfachen Häusern lebten Diener und Sklaven. In anderen Gebäuden wurde Zuckerrohr gewalzt und gewaschen und dafür wurde Wasser benötigt. Das kostbare Nass musste allerdings aus der Caldera de Taburiente hier her geleitet werden und dafür wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein Aquädukt gebaut. Später wurde auf der Plaza Sotomayor sogar ein Teich mit diesem Wasser angelegt, heute sieht man davon allerdings nicht mehr.

Der sogenannte Park sieht ziemlich vernachlässigt und ungepflegt aus. Die Pracht aus vergangenen Zeit ist längst verschwunden und auch wenn jetzt ein Teil der Häuser renoviert ist kann man sich das Leben von damals nicht mehr vorstellen. Die Häuser wirken nur mehr wie eine schöne Kulisse für einen Film.

Die Glasbläserei war leider auch geschlossen, mehr zu sehen gab es nicht und so sind wir nach einer kurzen Pause bald weiter gefahren. An der Hauptstraße haben wir doch noch einmal kurz angehalten, denn von diesem Platz sieht man die Häuser wunderschön eingebettet in die grünen Bananenplantagen. Die Zeiten des Zuckerrohrs sind ja vorbei.

Ach ja, fast hätte ich es vergessen, von Argual aus habe ich auch den neuen Vulkan das erste Mal in seiner vollen Größe gesehen. Ab jetzt wird er auf vielen Fotos auftauchen, denn er ist gekommen um zu bleiben. Einige Zeit vor dem Ausbruch hat ein Vulkanologe des College of Geologists noch verkündet, dass ein Ausbruch des Vulkans in Cumbre Vieja auf La Palma eine bis mehrere Wochen, aber wahrscheinlich nicht länger als einen Monat dauern und mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Flutwelle oder keinen Tsunami auslösen könnte. Aber es ist ganz anders gekommen…

Ich kann mich noch ganz genau auf die Nachrichtenmeldung am 19. September 2021 erinnern: „Auf La Palma ist am 19. September 2021 ein Vulkan in der Vulkankette Cubre Vieja ausgebrochen“. An diesem Sonntag, nach drei Uhr nachmittags, hörte für die Bewohner auf dieser Seite der Insel die Stille auf, an ihrer Stelle trat ein ohrenbetäubendes Tosen aus dem Erdinneren. Asche regnete vom Himmel, die Lava floss unbarmherzig durch die Vegetation und verschlang am Ende über tausend Häuser, Erdbeben und Explosionen erschütterten die Erde und das ständige Grollen begleitete ab diesem Tag die Bewohner des Tales.

Fünfundachtzig Tage hatte der neue Vulkan, der noch immer keinen Namen hat, die Welt der Kanaren fest im Griff. Die alten Lavafelder des Vulkans San Juan sind verschwunden, Existenzen wurden zerstört oder völlig durcheinander gewirbelt. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das ist, wenn man von einem Tag zum anderen plötzlich so gut wie nichts mehr besitzt. Keine Fotoalben, keine Erinnerungsstücke, das Haus und der Garten für immer weg. Alles unter einer dicken Lavaschicht vergraben. Die Natur ist der triumphierende Sieger über den Menschen, der sie so oft ignoriert und unterschätzt. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir auf einer Erde leben, die zum großen Teil von solchen Vulkanausbrüchen gebildet worden sind.

La Palma ist wieder um ein Stück gewachsen und auf der Insel erhebt sich jetzt ein neuer Vulkankegel. Ein Hauptkegel, den einen Kranz in grünen und gelben Farben ziert, die Oberfläche mit Schwefel verschmiert Monate, ein junger Vulkan, der nach dem offiziellen Ende seines Ausbruchs noch immer Rauchwolken in die Luft schickt. Er hat das Leben und die Landschaft der Westküste von La Palma hat verändert. Ob es für immer sein wird, kann mit Sicherheit niemand sagen.

Der Vulkan spuckt zwar seit fast vier Monaten nicht mehr, aber ich habe gelesen, dass der Hauptkrater nur sehr langsam abkühlt. Die Temperatur der Magma soll noch bei fast tausend Grad liegen. Man sieht es zwar nicht mehr, aber unter der dünnen Lavakruste fließt weiterhin Lava ins Meer und durch viele Spalten und Ritze gelangen Gase an die Oberfläche. Im Küstengebiet tritt vor allem Kohlenmonoxid aus. Deshalb können einige Menschen aus der Gegend von Puerto Naos und Umgebung noch immer nicht in ihre Häuser zurückkehren. Es sind nicht mehr die Lavaströme sondern Kohlenmonoxid und Kohlendioxid, schwere Gase, die in hohen Konzentrationen den Sauerstoff verdrängen und momentan jedes Leben unmöglich machen. Ihr könnt euch in der Fotogalerie am Ende des Beitrags noch mehr Fotos ansehen – wir fahren jetzt endgültig nach Los Llanos.

Los Llanos soll ja die heimliche Hauptstadt von La Palma sein. „In Los Llanos sitzt das Geld“ wird in Santa Cruz erzählt. Begrüßt wird man vor allem mit vielen, sterilen und fantasielosen Zweckbauten der Stadt. Auf den ersten Blick verkauft sich die Stadt nicht sehr schön. Sie hat so gar nichts von einer Inselromantik an sich.

Und doch hat auch Los Llanos reizvolle Winkel – man muss sich nur ein bisschen Zeit nehmen und durch die Gassen rund um die Kirche schlendern. Hier ist die Welt bunt und lebenslustig.

Das Zentrum von Los Llanos bilden die Plaza de Espana, die Kirche Nuestra Senora De Los Remedios, das Rathaus und die Plaza Chica. Rund um diesen Ortskern stehen liebevoll restaurierte, traditionell kanarische Häuser, die zum Teil denkmalgeschützt sind. Gegründet wurde der Ort, laut schriftlichen Aufzeichnungen, erst im Jahr 1812 und hat sich im Laufe der Jahre zu einem wichtigen wirtschaftlichen Zentrum auf der Westseite der Insel entwickelt. Heute könnte kann man Los Llanos de Aridane als heimliche Hauptstadt der Insel bezeichnen. Klein aber fein, sauber und lebendig – einfach ein zauberhaftes Städtchen, in dem man an jeder Ecke der Innenstadt die unterschiedlichsten Kleinode entdecken kann. Der erste Eindruck stimmt also nicht immer.

Der Reichtum und die Bedeutung hat Los Llanos dem Wasserreichtum der Caldera de Taburiente zu verdanken. Die reichsten Männer waren immer diejenigen, die durch irgendwelche Beziehungen das Wasserrecht bekommen haben. Ohne Wasser hätte es weder einen landwirtschaftlichen Anbau noch Zuckermühlen gegeben. Vor ein paar hundert Jahren lautete die Devise nicht Zeit oder Geld ist Macht, sondern Wasser macht reich! Das wertvolle Nass machte den Erfolg erst möglich und Los Llanos ist damals schon eines der reichsten Gebiete der kleinen Insel gewesen.

La Plaza Chica, liegt hinter der Kirche und wird von den Einheimischen auch Plaza de Enamorados, Platz der Verliebten, genannt. Unter hohen Palmen, einem plätschernden Brunnen warten steinerne Sitzbänke auf uns müde Stadtwanderer. Ein ruhiges, idyllisches Plätzchen, nicht weit weg vom täglichen Trubel des normalen Lebens.

Die Stadt im Museum, la Ciudad en el Museo, ist die Besonderheit von Los Llanos. Ein Forum zeitgenössischer Kunst, un Foro de Arte Contemporáneo, kurz CEMFAC genannt, ist ein ein neues Museumskonzept in Form einer Freiluftsammlung von Fassadenmalerei. Diese Aktion gibt es wahrscheinlich nirgendwo sonst in Europa. Die farbenprächtigen Bilder werden auf bis zu hundertvierzig Quadratmetern große Paneele montiert und an den Fassaden der Häuser in der Innenstadt in luftiger Höhe angebracht. So kann man die Werke berühmter Maler der Kanaren aber auch vom
spanischen Festland bewundern.

Also Augen auf und den Blick nach oben richten – die farbenprächtigen Kunstwerke befinden sich hoch über den Dächern der stilvollen, zum Teil geduckten Häuser der Altstadt auf den sonst so fantasielosen Fassaden der neuen Hochhäuser der Stadt.

Die kleinste Gemeinde im Westen La Palmas ist Tazacorte. Das kleine Städtchen liegt hoch über der Küste, hat aber trotzdem einen Hafen, einen großen Strand und – jede Menge Bananen. Deshalb lautet der offizielle Name des Ortes auch Villa y Puerto Tazacorteel Pueblo am Hang und el Puerto am Meer. Wir wollen noch an die Küste, aber ein Kaffee wäre nicht zu verachten und deshalb machen wir uns auf die Suche nach einer Bar, bei der man auch im Schatten sitzen kann.

Wir haben sie auch gefunden. Direkt gegenüber des Rathauses, auf einem Platz mit einem schönen Arkadengang am Rand. Bunte Mosaiksäulen und dazwischen mit kleinen Fliesen verzierte Bänke umschließen die Plaza mit einem kleinen Kiosk und schattigen Bäumen. Perfekt für eine kurze Pause.

Jetzt noch ein bisschen die Füsse vertreten und dann sind wir wieder fit für die nächste Etappe für diesen Tag. Drei Tage oder besser gesagt zweieinhalb Tage sind leider nicht genug um an jedem Ort so viel Zeit zu verbringen wie man will, aber La Palma ist ja nicht aus der Welt und wir lassen mit Sicherheit nicht mehr einige Jahre für die nächste Erkundungsfahrt vergehen.

Für diesen Tag endet unser Ausflug am Strand von Tazacorte. Ein bunter Ort mit einem schönen Sandstrand – und Ausblick auf den neuen Vulkan. Am letzten Tag geht die Reise auf den höchsten Punkt der Insel, el Roque de los Muchachos.

Wie versprochen sind hier noch einige Fotos mehr…

4 Gedanken zu “Los Llanos und der Vulkan

  1. Elke Holler

    Toller Bericht und wunderschöne Fotos. Wir haben viele Jahre unseren Urlaub auf La Palma verbracht. Leider wurde unser Ferienhaus unter dem Lavastrom begraben.

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