Celluloid – ein brandheißes Material

Habt ihr gewusst, dass die Erfindung des Celluloids 70.000 Elefanten das Leben rettete? Das klingt zwar unwahrscheinlich, ist aber so! Mitte des 19. Jahrhunderts wurden jährlich tausende afrikanische Elefanten gejagt und erlegt. Nicht etwa weil die Welt einer Hungersnot nahe war, nein, die Stoßzähne waren die begehrte Beute. Elfenbein wächst eben nicht auf Feldern und was macht das schon, wenn für irgendeinen Schnick Schnack ein paar Tiere ihr Leben lassen müssen. Die vermehren sich ja wieder, oder? So einfach funktionierte das aber doch nicht und so waren die Dickhäuter plötzlich vom Aussterben bedroht und Elfenbein wurde unbezahlbar, es musste dringend etwas geschehen …

Legendärer Anstoß für die Entwicklung des Celluloids war ein ganz besonderes Preisausschreibendas US-Unternehmen Phelan & Collendar im Jahr 1869.  1f60a Das Elfenbein für die Billardkugeln war zu teuer geworden und sollte ersetzt werden, deshalb wurde nach einem neuen Werkstoff gesucht.

John Wesley Hyatt war zwar nicht der Gewinner des Wettbewerbs und mit der damals stolzen Gewinnsumme von 10.000 US $ ging ein anderer nach Hause, doch seine Untersuchungen mit Nitrocellulose führten zur Geburtsstunde des Celluloids. Celluloid war damit der erste Kunststoff der Welt, ein neues Zeitalter konnte beginnen. Es gehört zur Gruppe der sogenannten thermoplastischen Kunststoffe, aber mit dem heutigen Ausdruck Kunststoff hat das Material nicht mehr viel gemeinsam.

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Die Brüder John und Isaiah Hyatt ließen feines Seidenpapier von Maschinen zerreißen und mit einem Gemisch aus konzentrierter Schwefel- und Salpetersäure in Nitrocellulose – besser bekannt als Schießbaumwolle – umgewandelt. Dazu kamen Campher und Farbstoffe, die unter Druck solange gemischt wurden, bis schlussendlich die Celluloid-Masse entstand. Sie war allerdings hochexplosiv und musste entsprechend vorsichtig behandelt werden. 1865 erhielt die Firma das Patent für Billardkugel aus gepressten Stoffresten mit einem Überzug aus Schellack und Elfenbeinstaub. Celluloid wurde unter Patentschutz gestellt und konnte von interessierten Firmen nur noch in Lizenz hergestellt werden.

Die ersten Kugeln für den Billardtisch hatten obendrein einen lustigen Nebeneffekt. Weil der Anteil der Schießbaumwolle noch zu hoch war, knallte es beim Billardspielen ab und zu so laut, dass einige Cowboys angeblich zu ihren Colts gegriffen haben sollen.

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Diese Kugeln hatten noch keinen gewissen „Klick“

Zuerst wurden ausschließlich Schmuckgegenstände und Schirmgriffe damit hergestellt und obwohl die Herstellung sehr aufwendig und damit teuer war, wuchs der Markt und bald wurden von der Klaviertaste bis zur Schachfigur, Gaumenplatten von Gebissen, vom Kamm bis zur Flöte, Schalen, Messergriffe, Brillengestelle oder Füllhalter aus Celluloid produziert.

Das farblose Celluloid hat eine geniale Eigenschaft, es nimmt zart lasierende Farben ebenso wie kräftige, satte Töne an und erlaubt, wie fast kein anderer Werkstoff, eine Vielzahl von Maserungen und Strukturen. Celluloid lässt sich gießen, schneiden, biegen, stempeln und in Scheiben zertrennen. Mit Hilfe von Celluloid gelang das erste Mal in der Geschichte eine fast perfekte Nachahmung von Elfenbein, Ebenholz, Schildpatt, Horn, Perlmutt, Koralle … Die Auswahl war riesig und der Imitation von Luxusgütern aus Naturprodukten stand nichts mehr im Wege.

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Celluloid kann in heißem Wasser erwärmt einfach verformt werden und war aus diesem Grund ein ideales Ausgangsmaterial für Toilettenartikel, Kämme und Accessoires. Mittlerweile ist Celluloid Schnee von gestern und wird weitgehend von PVC ersetzt, obwohl bis heute mit keinem anderen Kunststoff derart brillante Farbeffekte erzielt werden können.

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In der PUPPENindustrie gab es 1879 in einem Bericht der Bayrischen Gewerbezeitung über die amerikanische Celluloid Industrie erste Hinweise auf das neue Material: „..auch das Porzellan wird nun in seiner Verwendung zu Puppenköpfen durch das Celluloid ernstlich bedroht, da man mit Puppenköpfen aus Celluloid auf einem harten Fußboden herumhämmern kann, ohne sie zu schädigen.“

Es gab also schon um 1880 einige Versuche, Celluloid zur Herstellung von Puppen und Puppenköpfen zu verwenden. Doch dabei blieb es dann auch, denn die Köpfe für Puppen aus Porzellan, Papiermaché oder Wachs waren weitaus billiger und ungefährlicher. Erst um 1893 kam die Diskussion wieder in Gang, als durch neue chemische Verbindungen die Feuergefährlichkeit des Materials entschärft worden war.

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Die Rheinische Gummi und Celluloid Fabrik steckte nach den primitiven Anfängen von 1895 hunderttausende von Mark in die Entwicklung. Aber nicht nur Schildkröt, auch andere Unternehmungen haben zur Entwicklung der Celluloid Puppe beigetragen und so kommt es 1896 zu einem Folge schweren Rechtsstreit der Rheinischen Gummi und Celluloid Fabrik und – vermutlich – der Celluloidwarenfabrik Dr. P Hunaeus. Beide Unternehmen haben etwa zur gleichen Zeit ein neues Verfahren zur Bearbeitung von Celluloid entdeckt – die sogenannte Press-Blas Methode.

Da beide Firmen entsprechende Patente vorweisen konnten, drohte ein jahrelanger Rechtsstreit. Das wäre für beide Parteien nicht besonders erfreulich gewesen und man einigte sich auf einen Kompromiss. Schildkröt durfte in der Folge ausschließlich Puppen, Puppenköpfe und Puppenbestandteile herstellen und die Konkurrenzfirma konnte das neue Verfahren für alle anderen Erzeugnisse einsetzen.

Das Grundmaterial zur Herstellung der Puppen waren Röhren aus Celluloid, vorgefertigt aus einer teigartigen Masse. Diese Röhren wurden nach der Press-Blas-Methode ab 1897 in Bronzeformen gelegt, erhitzt und unter starkem Druck aufeinander gepresst. Dann wurde Wasserdampf in die Form geblasen. Dadurch pressten sich die eingelegten Röhren geschmeidig an die Wände im Inneren der Form und schlossen sich nahtlos miteinander. Mit diesem Verfahren konnten sämtliche Puppenteile, also Köpfe, Rümpfe, Arme und Beine angefertigt werden.

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Celluloid war allerdings äußerst feuergefährlich und kaum zu löschen, wenn es einmal Feuer gefangen hatte. Nach dem Krieg wurde Celluloid durch das wesentlich stabilere und sichere Tortulon ersetzt und ab 1950 wurde es aufgrund der hohen Brandgefahr verboten. Aber über Celluloid in der PUPPENgeschichte erzähle ich euch ein anderes Mal mehr … kuss (2)

Zum Schluss noch ein paar Tipps eines alten Puppendoktors:

  • Sonnenlicht hat Einfluss auf Celluloid, die Farbe kann dadurch verschießen, es kann austrocknen und porös werden. Setzen Sie Ihre Puppen niemals der Sonne aus!
  • Waschen Sie sie von Zeit zu Zeit mit einem nassen Lappen ab.
  • Nehmen Sie bei Frostwetter keine Celluloidpuppen mit auf den Markt, denn wenn sie hinunterfallen, zerbrechen sie in unzählige Stückchen.
  • Nehmen Sie keine Reparaturen von Puppen aus der Tschechoslowakei und Japan an – die sind zu dünn zum Reparieren.

Falls ihr noch mehr darüber wissen wollt, hier ein Buchtipp von mir

Puppen und Spielzeug aus Celluloid von Sabine Reinelt – ein Handbuch der deutschen Fertigung. „Seit etwa 1893 wurden Puppen und häufig auch Tiere aus Zelluloid hergestellt. Die gute Formbarkeitdes Materials erlaubte eine außergewöhnlich phantasievolle Gestaltung. So sind die Spielwaren aus diesem Material auch besonders vielfältig und reizvoll, teilweise kurios und überraschend, manches urkomisch, anderes wieder so edel und liebenswert, daß man fast vergißt, daß es Kunststofferzeugnisse sind. Trotzdem blieb der Siegeszug der Zelluloidspielwaren nicht unangefochten. Wegen der hohen Brennbarkeit des Materials wurde Anfang der sechziger Jahre Zelluloidspielzeug endgültig von anderen Kunststoffprodukten abgelöst.

Die meisten Zelluloidspielsachen landeten achtlos im Müll. Inzwischen sind die kleinen und großen Zeugen der rund sechzigjährigen Zelluloidspielzeuggeschichte gesuchte Sammelobjekte.Dieses Buch gibt die erste vollständige Zusammenfassung aller deutschen Firmen, die Zelluloidspielwaren hergestellt haben. Der Autorin gelingt es, erstmals die Geschichte des Zelluloidspielzeugs darzustellen und die Produkte zeitlich und nach Herkunft zu ordnen. Neben dokumentarischen Abbildungen werden in 150 künstlerischen Farbaufnahmen die schönsten und seltensten Zelluloidspielwaren dargestellt. …“

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Über ARTlandya - der Blog

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2 Antworten zu Celluloid – ein brandheißes Material

  1. Axel Höber schreibt:

    Vorsicht bei Zelluloid. Das Material ist sehr feuergefährlich.
    Am Besten im Sondermüll entsorgen. Es kann sich bereits im Sonnenlicht durch Schlieren im Glas, die wie Brenngläser wirken und das Sonnenlicht verstärken, entzünden.

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  2. Anonymous schreibt:

    Hallo…
    Vorsicht bei Zelluloid. Das Material ist sehr feuergefährlich. Am Besten im Sondermüll entsorgen. Es kann sich im Sonnenlicht bereits durch Schlieren im Glas, die wie Brenngläser wirken und dadurch das Sonnenlicht verstärken, entzünden.

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